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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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und er mit geradem Rücken davongegangen war, zu einem Zusammenbruch kam), dachte er, und zwar nicht zum ersten Mal an diesem Tag, dass er sich gern, wäre er nicht in Uniform, ein wenig umgetan hätte. Ein kleiner Spaziergang. Ein bisschen Meeresluft. Seine Uniform hinderte ihn daran. Es war so mild und still, das Meer von hier aus wie poliertes Stahlblech.
    Was für ein herrlicher Ort. Lookout Cottage.
    Es hätte sich an einem solchen Tag nicht geschickt zu sagen, dass er ein wenig neidisch war. Es war nicht das, was er üblicherweise sah, weit entfernt davon. Wohnsiedlungen, militärische und andere. Er fragte sich, wie jemand, der auf einer Farm in Devon gelebt hatte   – das war die ursprüngliche Adresse (und der Mann hatte mit einem echten rollenden Devon-Akzent gesprochen)   –, zu einem Cottage auf der Isle of Wight kam, wo er einen Wohnwagenpark betrieb. Und was für eine Arbeit wardas? Gar nicht so übel, vielleicht. Wieder ging sein Blick zu den weißen Kastenrechtecken hinunter.
    Jedenfalls keine Ausbrüche. Die Ehefrau hatte sehr gefestigt gewirkt, fast ein wenig hart. Nun, es war nicht ihr Sohn, nur der Schwager. Anscheinend keine Kinder. Nur die beiden. Ein merkwürdiges Paar, vielleicht, irgendetwas stimmte nicht richtig überein zwischen ihnen, angesichts der Nachricht. Aber man bekam alles Mögliche zu sehen.
    Für ihn jedoch, Jack, den einzigen Verwandten, also, das war hart. Der einzige Bruder. Der jüngere Bruder   – Major Richards schätzte den Unterschied auf mehrere Jahre. Und er hatte, bevor er ging (es war der Grund, warum er gegangen war), etwas in Jack Luxton gespürt, das tief und verschlossen lag und das sich zu einem späteren Zeitpunkt Bahn brechen könnte. Andererseits sah er nicht aus wie jemand, der zu Ausbrüchen neigte, oder zu einem übertriebenen Ausdruck seiner Gefühle. Er hatte etwas Schwerfälliges und   – wie konnte man das beschreiben?   – etwas Rinderartiges. Er wirkte   – und nach den Fotos zu urteilen, die immer noch in der Mappe steckten, hatte der Bruder ihm sehr ähnlich gesehen   – wie ein großer starker Mann.

12
    Schneller und besser in fast allem. Er konnte das Gewehr hier herumschwingen, als es eigentlich noch zu groß für ihn war, konnte es so gut schwingen, dachte Jack damals, und damit schießen, als wäre der Schuss ein Seil, das gar nicht anders konnte, als sich am Ziel festzumachen. Kaninchen, Krähen, Tauben. Tauben waren am schwierigsten. Große, schwerfällige Vögel auf den kahlen Ästen im Brinkley Wood, Lockenten, könnte man denken, aber sie wussten, wann der Lauf auf sie gerichtet war. Nicht jedoch, so schien es, wenn Tom ihn auf sie richtete. Ein Scharfschütze. Zwei Tauben, ein Seil um ihre Hälse geknüpft, baumelten von Toms Gürtel herab, feucht von Lukes Speichel. Er selbst hatte keine. Dreimal daneben geschossen und nur die Stelle getroffen, wo die Taube gewesen war. Aber es hatte ihm nichts ausgemacht. »Für jeden eine«, sagte Tom, und er meinte es auch so.
    Auf dem Weg zurück durch den Wald, an einem grauen harten Januarmorgen. Zeit für sie beide nach dem Melken am Sonntagmorgen. Zeit, in der sie einfach Brüder sein konnten. Selbst Dad war bereit, das anzuerkennen und zuzulassen. So wie bei Mum, die für ihre Ferien gekämpft hatte. Nach langem, unnachgiebigem Schweigen: »Meinetwegen, dann geht.« Eine Stunde aufder Pirsch am Sonntagmorgen. Dad selbst kam nicht mit, obwohl er kein schlechter Schütze war. Vielleicht wusste er, dass Tom ihm jetzt schon überlegen war. Und er gab die Erlaubnis, als wäre auch er, Jack, ein Kind, das eine Erlaubnis brauchte, obwohl er schon fast zwanzig war und das eigentliche Argument, oder das Zugeständnis, doch war, dass er Tom das Schießen beibrachte. Es war nicht nötig, dass der Vater Tom beaufsichtigte. Tom war alt genug, schießen zu lernen, und Jack alt genug, sein Lehrer zu sein.
    Auf dem Weg zurück durch den Wald. Das Knacken der Zweige. Luke, der vor ihnen durch das welke Laub stöberte. Tom war erst zwölf, dreizehn. Mum lebte noch. Den Gedanken gab es gar nicht   – dass sie nicht immer da sein würde. Mum hatte Luke aufgezogen, der einzige Welpe, den sie vom letzten Wurf der großen alten Bessie behalten hatten.
    Tom hatte noch nicht seine volle Größe erreicht, und manchmal dachte Jack, dass der Größenunterschied zwischen ihm und Tom derselbe war wie der zwischen Tom und Luke. Nur dass Tom die beiden Tauben hatte.
    Durch die Bäume hindurch und von allen

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