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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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Entfernung davon stand, doch wie ein Schatten auf ihr lag, ein Schatten auch auf diesen bedeutsamen menschlichen Gruppen. Denn am gegenüberliegenden Ende des Raums war eine Wand hauptsächlich aus Glas, wie man sie in jedem Flughafengebäude am Abflugsteig finden konnte. Und durch das Glas, an den Köpfen und Hütenvorbei, stand auf der Rollbahn ein einzelnes großes Flugzeug. Drum herum war nicht das übliche Gewirr von Gepäckwagen und Versorgungsfahrzeugen zu sehen, und da das Flugzeug mit der Nase zum Flugfeld stand, konnte Jack von seinem Standort aus die dunkle Öffnung in dem Rumpf unterhalb der Schwanzflosse sehen, sowie die Rampe, die zum Boden führte.
    Als Jack sich im Voraus den Ablauf vorzustellen versucht hatte, nahm er an, dass alle Beteiligten das Flugzeug beim Landen und Entladen sehen würde. Natürlich musste es so nicht sein. Das Flugzeug war vielleicht schon eine Weile da, während die Vorbereitungen im Gange waren. Womöglich war es bei Dunkelheit gelandet. Vielleicht war es über die englische Küste hereingekommen, gerade als er den Beacon Hill herunterkam.
    Jack hatte gewusst, dass es da sein würde. Es dort zu sehen, war dennoch ein Schock. Es war ein großes Flugzeug, für drei Särge. Es stand da, dem Anschein nach unbeaufsichtigt, unter einem grau-weißgesprenkelten Herbsthimmel in Oxfordshire. Vor nicht allzu langer Zeit musste es auf einer Rollbahn im Irak gestanden haben.
    Plötzlich war Major Richards an seiner Seite, was er dankbar bemerkte, obwohl er ihn fast nicht erkannt hätte, da auch er jetzt   – Jack hatte ihn immer nur in Uniform gesehen   – Säbel und Schärpe trug, als wäre er kürzlich (was nicht der Fall war) befördert worden. Als Major Richards sich   – mit einer kleinen Berührung am Ellbogen   – bemerkbar machte, wurde Jack bewusst, dass Richards nach ihm Ausschau gehalten haben musste, nicht nur, um sich zu vergewissern, dass Jack da war, sondern auch, so schien es jetzt, um so weit wie möglich die Tatsacheaufzuwiegen, dass Jack eine aus einer Person bestehende Gruppe war. Er und Major Richards würden, nur vorübergehend und nur für den Zweck dieser Versammlung, eine aus zwei Personen bestehende Gruppe bilden.
     
    Major Richards wusste bereits, dass Jack der letzte Luxton war, der einzige noch lebende. Eine ganze Geschichte verbarg sich dahinter, dachte er, fand aber auch, dass es ihm nicht zustand, nachzuforschen. Aber dann hatte Jack angerufen   – das war gestern gewesen   –, um zu sagen, »so wie die Dinge lagen«, würde er allein kommen. Auch dahinter verbarg sich zweifellos eine ganze Geschichte, aber Major Richards hatte das Gefühl, dass es sich da noch viel weniger schickte, Fragen zu stellen. Seine Frau war auch nicht da (warum auch? Sie würde es nicht wollen.). Schließlich war er nur Major.
     
    Major Richards sagte: »Fahrt glatt gegangen?« Als würden sie sich zu einem Sportereignis treffen oder das Verkehrsaufkommen auf der A34 besprechen. Aber das bekümmerte Jack nicht im Mindesten.
    »Ja.«
    »Gut.«
    Danach verstand Jack nicht immer, was Major Richards sagte, noch wusste er, was er selbst sagte (hin und wieder machte er den Mund auf, und Wörter kamen heraus), aber er begriff, dass Major Richards seiner Pflicht nachkam, einer besonderen Pflicht. Er führte ihn herum, stellte ihn verschiedenen Personen vor, führte ihn weiter, sodass keine einzelne Begegnung zur Qual wurde. Er bildete mit Jack eine Gruppe und half ihm, das Ereignis zuüberstehen. Und Jack verstand, dass auch er, gegen seinen Willen und auf unbeholfene Weise, seiner Pflicht nachkam, die darin bestand, dass er sich, was unvermeidlich war, Menschen vorstellen ließ, Menschen in unbeschreiblichen Aufzügen und mit außergewöhnlichen Stimmen, und die Hand geschüttelt bekam, als hätte er selbst etwas Außergewöhnliches getan, und sich Äußerungen anhörte (während er »Ja«, oder »Ja, richtig«, oder »Ja, stimmt« sagte), die zu ihm oder über ihn gesagt wurden und zweifellos den Zweck hatten, ihm gutzutun.
    Und Major Richards bildete eindeutig eine spezielle Gruppe zusammen mit ihm, denn eigentlich verdienten die anderen Gruppen Major Richards’ Aufmerksamkeit ebenso wie er, wenn nicht gar mehr, obwohl sie nicht unbedingt ein Bedürfnis danach hatten, schließlich hatten sie ja einander. Dies wurde deutlich, als Major Richards mit Jack auf die Gruppen zusteuerte. Genau das wollte Jack, und er fürchtete es zugleich, denn was konnte er zu diesen armen,

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