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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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bei einem niedrigen Podest aufgestellt, wo sie, wie Jack mutmaßte, salutieren würden. Einige der Offiziere hatten spezielle Aufgaben zu versehen und entfernten sich. Jack verlor Major Richards aus den Augen. Links von den Angehörigen, in einer kleinen Entfernung, waren drei Leichenwagen aufgefahren (sie zu sehen war eine Erleichterung und gleichzeitig niederschmetternd) und standen nebeneinander in einer Reihe, die Schnauzen zur Rollbahn gewandt, die Heckklappen offenstehend, sodass es aussah, als wollten sie sich mit dem Flugzeug solidarisch machen.
    Sein Leichenwagen   – der für Tom   – stand auch da. Toms Transportmittel wartete. »Auf der anderen Seite«, hatte Major Richards ihm schon zugeflüstert, hatte man alles gut vorbereitet, es gab nichts, was Jack noch tun musste. Trotzdem, allein den Leichenwagen dort stehen zu sehen, ließ ihm das Herz stocken, und Jack hatte das Gefühl, dass er irgendwann mit dem Fahrer sprechen sollte. Er würde ihm zwanzig Pfund zustecken. Wären zwanzig Pfund genug?
    In einem der Telefongespräche hatte Major Richardsangedeutet, dass bei diesem Anlass von Blumen abzusehen sei. Diese Anlässe wären nicht die eigentliche Beerdigung, und die Armee hatte mit Blumen nichts zu tun. Aber Jack sah, dass neben zwei der Leichenwagen, wie zum Trotz da hingestellt, ein Gebinde   – für jede Gruppe eins   – von Blumen stand. Einen winzigen Augenblick lang spürte er ein Gefühl tiefster Bestürzung und Demütigung (und Mitleid mit dem Fahrer, der ausgestochen worden war). Doch der einzelne Kranz, den er bestellt hatte (und dabei hatte er einen besonders großen bestellt) und der auf die Ankunft des Sarges in Marleston wartete, wäre hier ohnehin kaum aufgefallen.
     
    Die Geistlichen in ihren wehenden Soutanen waren zum Flugzeug gegangen. Alle versuchten in den Rumpf zu spähen. Dabei wussten sie, was drin war. Jetzt wurden verschiedene Befehle gerufen. Drei Abteilungen von jeweils sechs mützenlosen Soldaten marschierten zum Flugzeug, jede Abteilung wurde von einem mützenlosen Offizier angeführt. Andere Offiziere   – diese trugen Mützen   – hatten neben der Rampe, die ins Flugzeug führte, Haltung angenommen und führten gelegentlich mit ihren Säbeln seltsame Bewegungen aus. Auf der Rollbahn stand, bekleidet mit roten Tuniken und weiß-goldenen Helmen, eine Militärkapelle in klein.
    Die erste Gruppe der Sargträger bestieg das Flugzeug. Das Signalhorn ertönte, als der erste Sarg, vollständig verhüllt mit einem Union Jack, aus dem Flugzeug getragen wurde. Jack vermeinte ein lautloses Einatmen, ein unsichtbares, aber deutliches Zusammenzucken in der Gruppe der Angehörigen zu bemerken. Man hatte ihmgesagt, und so stand es auch in der Zeremonienordnung, dass Toms Sarg der letzte sein würde. Warum, wusste er nicht, er hatte auch nicht gefragt und wusste nicht, ob es in irgendeiner Weise von Bedeutung war oder gar eine Ehre darstellte, aber er hatte jetzt das deutliche Gefühl, dass ihn die zwei vorausgehenden Särge vorbereiten würden.
    Die beiden anderen Gefallenen hießen Pickering und Fuller. Vor und während dieser Zeremonie hatte Jack nicht richtig begriffen, dass diese beiden Soldaten, die keinen Rang bekleideten, seinem Bruder unterstanden hatten. Demnach hatte er selbst unter den Angehörigen technisch gesehen eine mittelbar übergeordnete Position. Dabei fühlte er sich als der Niedrigste von allen.
    Einen Moment lang blieben die Träger am Fuße der Rampe, gleich neben den Geistlichen, stehen, während der Offizier dieser Sargträgergruppe seinen Platz hinter dem Sarg einnahm. Dann hob eine einzelne, dumpf tönende Trommel an, den Rhythmus zu dem langsamen Marsch zu schlagen, der nun begann, und die Blechbläser setzten mit verhalten brummenden Tönen ein, während der Sarg entlang einer festgelegten Route an den hoch dekorierten Männern in Uniform auf dem Podest, die alle stehend salutierten, dann an den Zivilisten vorbeigetragen wurde, bevor er den Leichenwagen erreichte.
    Als die Trommel einsetzte, empfand Jack das so, als würde sie in seiner Brust geschlagen, und obwohl von ihm nichts weiter verlangt wurde, als dazustehen und zuzusehen, spürte er, wie seine Arme sich unwillkürlich an seinem Körper entlangstreckten und die Daumen nach unten wiesen, wie sein Kinn sich reckte und seine Schulternsich nach hinten strafften und er intuitiv und unwillkürlich Haltung annahm. So stand er für alle drei Särge. Sie waren tatsächlich alle drei gleich.

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