Wärst du doch hier

nicht), dass jeder einen   – wie würde man das nennen?   – einen Co-Fahrer dabeihatte. Es war ein Zeichen des Respekts und außerdem üblich. Niemand sollte einen Toten allein durch das Land fahren müssen. Allein, nur in gewissemSinne. Aber Jack hatte sich vorgestellt, dass Toms Leichenwagen nur einen Fahrer haben würde, weil er sich vorgestellt hatte, dass er selbst der Fahrer sein würde. Die drei Fahrerpaare standen jetzt, aufrecht und still, am Heck ihres jeweiligen Leichenwagens. Waren sie entsprechend angewiesen worden? Gehörte das zu der üblichen Ausbildung für Bestattungsunternehmer?
    Major Richards hatte erklärt, dass Gewehrschüsse abgegeben werden würden   – es sei eine alte Tradition des Regiments, die zurückreichte bis zu den Napoleonischen Kriegen auf der Iberischen Halbinsel (den Kriegen der Vergangenheit). Doch trotz der Befehle und Bewegungen zur Vorbereitung waren die Schüsse wie Stöße. Die Angehörigen schienen auch diesmal zusammenzuzucken, als würde auf sie geschossen. Die Schüsse hallten im Himmel wider   – auch in diesem weiten, breiten Himmel   –, als fänden sie keinen Ausgang, sodass das Echo des einen Schusses noch zu entkommen versuchte, als der nächste schon abgefeuert wurde.
     
    Dann war es vorbei. Die ganze Versammlung wurde, könnte man sagen, aufgefordert, sich zu rühren, und entlassen. Die Armee hatte sich ihrer Pflicht entledigt und diese drei Soldaten an diejenigen Zivilisten zurückgegeben, die einen Anspruch auf sie erhoben. Die Repatriierung war abgeschlossen.
    Auch jetzt schien sich die Gruppe der Zivilisten einen Moment lang nicht vom Fleck rühren zu wollen. Dann setzte ein spontaner, beinahe unbotmäßiger Ansturm auf die Leichenwagen ein. Jack fielen jetzt, nachdem er die ganze Zeit nur die Hinterköpfe gesehen hatte, mehreretränenüberströmte, schmerzverzerrte und verweinte Gesichter auf. Ihm fielen Taschentücher auf. Er sah auch einige Fotoapparate, die verstohlen hervorgeholt und hochgehalten wurden. Er dachte an Major Richards Worte. Ich an Ihrer Stelle. Aber allein bei dem Gedanken, sich einfach davonzustehlen, fühlte er sich wie der letzte Dreck. Er war in der allgemeinen Bewegung gefangen. Und er hatte sich um die Fahrer des Leichenwagens zu kümmern.
    Doch nichts von alledem war es, das wusste Jack, was ihn zum Bleiben zwang. Er wollte an den Sarg heran, so nah es ging. Er wollte ihn berühren. Die bis dahin feierliche und gefasste Versammlung der Angehörigen strömte jetzt zu den drei Leichenwagen wie Besucher, die soeben in eine Ausstellung eingelassen worden waren. Die Fahrer hielten sich zurück wie bloße Bedienstete. Desgleichen das gesamte militärische Personal. Anscheinend war dies ein Programmpunkt, der nicht streng durchgeplant worden war. Die Fotoapparate blitzten und klickten. Die Namen der zwei anderen Soldaten   – ihre Namen und Spitznamen   – wurden plötzlich gerufen, es klang wie fremdartige Tierrufe. Jack glaubte nicht, dass er imstande war, jetzt den Namen »Tom« laut zu sagen   – vielleicht war es richtig gewesen, dass er das im Auto auf dem Parkplatz getan hatte   –, aber er sagte ihn zu sich im Innern. Er fühlte sich trotzdem wie der letzte Dreck, weil die gesamte Aufmerksamkeit auf die anderen beiden Leichenwagen gerichtet war und die Namen in ihre Richtung gerufen wurden. Weil sie die Blumengebinde hatten. Weil seine Fahrer, der Fahrer und Co-Fahrer, sich bestimmt schämten, dass sie Toms Leichenwagen fahrenmussten, dass sie von den drei Wagen ausgerechnet diesen fahren mussten.
    Er war Jack Luxton, der Bruder von Corporal Luxton   – das wussten die Menschen inzwischen   – und überragte mit seiner Größe und Statur die anderen, aber in Erinnerung würde er den Menschen sicherlich als der geheimnisvolle Mann bleiben, dachte Jack später, der allein gekommen war und allein wieder gegangen war, der geheimnisvolle Mann, der hinten gestanden hatte, aber am Schluss zu dem Leichenwagen mit dem Sarg seines Bruders gegangen war, an die Hecktür, sich einfach runtergebeugt und seine Hand auf den Sarg gelegt hatte   – nein, sich daran festgehalten, daran geklammert hatte, mehrere lange, langsam verstreichende Sekunden lang, der die beiden hölzernen Kanten mit seinen großen schweren Händen umfasst hatte, als wollte er sie nie wieder loslassen.
    Viele auf dem Platz sahen, wie er das tat. Wie er einfach dastand, fest verbunden mit dem Sarg. Und als sie eine Weile später wieder nach ihm