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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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Männer aus dem Ort waren gekommen, um Hand anzulegen undden Sarg in die Kirche zu tragen. In dem nachlassenden Licht schien es wie eine heimliche Tat.
    Sie waren ehrlich erschöpft. Sie brauchten ein Bier oder zwei im Spread Eagle, sobald sie den Leichenwagen in der Garage in Barnstaple abgestellt hatten. Trotz ihrer Müdigkeit hatten sie nicht den Wunsch, diesen langen Auftrag schon zu beenden. Sie bedauerten es auch nicht, dass sie am nächsten Morgen wieder zur Kirche kommen mussten, wo sie Jack Luxton (den sie auf der Fahrt nicht gesehen hatten) erneut begegnen und die Aufgabe abschließen würden.
    Der Himmel gen Westen, auf den letzten Meilen nach Barnstaple, hatte sich gerötet, und die Hügel waren dunkel geworden. Sie hatten viele Hügel gesehen, auf der Fahrt, viel Landschaft. Auch das kam ihnen jetzt unheimlich vor, gespenstisch. Dieses Land war das von Corporal Luxton wie auch das ihre. Er war in diesen Landstrich zurückgebracht worden   – und sie hatten ein bisschen dabei geholfen. Einer dieser scheinbar passenden Sätze, der ihnen vorher so leicht in den Sinn gekommen war, schien jetzt so schattenhaft wie die hereinbrechende Nacht. Corporal Luxton, der mit ihnen im Wagen gefahren war, musste ein ziemlich guter Soldat gewesen sein, besonders, wenn er auch so groß war wie sein Bruder. Aber zu sagen, wie es oft von Soldaten gesagt wurde, dass er für sein Land gestorben war   – nein, das konnte so nicht stimmen, oder?

23
    Corporal Luxton, Tom Luxton, zu dem Zeitpunkt einfacher Gefreiter zwischen zwei Einsätzen, hatte die Bilder von brennendem Vieh, riesige, brüllende Haufen davon, im Fernsehen in einem Pub in West London gesehen, wo er sich mit Bier volllaufen ließ, hatte aber nur die Nase kraus gezogen und noch mehr Bier getrunken und nichts zu seinen Kameraden gesagt. Roak Moor in Devon. Maul-Klauenseuche, diesmal. Ach, es gab schlimmere Anblicke in der Welt (zum Beispiel die Kaserne in Hounslow). Und jetzt hatte er endlich Gewissheit   – als hätte er es nicht die ganze Zeit schon gewusst   –, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Aber er behielt die Fernsehbilder von den brennenden Rindern im Kopf, als wäre es eine wirkliche und tatsächliche Erinnerung, außerdem eine nützliche Erinnerung, gewissermaßen, die ihm immer dann kam, wenn er nach einer Explosion Wolken von schwarzem Rauch über den Flachdächern zwischen den Palmen aufsteigen sah, was jetzt fast jeden Tag geschah, manchmal waren es zwei oder drei oder mehr schwarze Rauchsäulen. Es war ein nützlicher Bezugspunkt, eine Orientierung, immer dann, wenn man daran denken musste, was diese Rauchwolken bedeuteten, oder es auch zu sehen bekam. BrennendesVieh, geschlachtetes Vieh. So wie das, was in seinem Beisein von der Jebb Farm weggetragen wurde, weil die Möglichkeit bestand, dass es vom Rinderwahn befallen war. Keine Tatsache, sondern die Möglichkeit. Es bestand die Möglichkeit, dass sie die Krankheit bekamen und verbreiten würden.
    Ein nützlicher Bezugspunkt. Tom erinnerte sich an andere Aufnahmen im Fernsehen, die er auf der Jebb Farm gesehen hatte, als das mit dem Rinderwahn gerade anfing, aber in einem anderen Teil des Landes, und sie hatten nicht die geringste Ahnung, dass es auch
sie
treffen würde.
    Die Aufnahmen zeigten eine Kuh, irgendwo in einem Stall, die von der Krankheit befallen war. Sie fiel um und stand wieder auf, fiel wieder um, und die Beine rutschten seitwärts weg. Die Kuh wusste nicht, was sie tat, sie trottete im Kreis. Für ihn und Jack und Dad waren das keine guten Bilder, auch wenn sie nur im Fernsehen gezeigt wurden, und sie dachten, dass dies unmöglich auch zu ihnen kommen konnte.
    Und ganz ähnlich war es auch, als es Willis erwischte, ihr erster ernstlich Verletzter. Sie alle fürchteten sich vor einem Gemetzel, vor großen Explosionen, vor jemandem mit einem verdächtigen Päckchen unter dem Hemd. Aber es war eine einzelne Kugel, von einem Scharfschützen abgegeben. Anscheinend hatte auch niemand den Schuss gehört. Sie sahen nur, dass Willis anfing, sich komisch zu gebärden, dass er nicht mehr Willis war, sondern herumsprang wie eine große zappelnde Marionette, an der ein paar Fäden fehlten, und niemand verstand, warum. Die Kugel hatte seine Wirbelsäule gestreift, aberdas reichte. Reichte aus, dass Willis nicht mehr Willis war, vielleicht sogar für den Rest seines Lebens. Der erste, der nach Hause verfrachtet wurde.
    Und weil er jetzt Corporal Luxton war und dafür

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