Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
nur an Jäger abgegeben«, erklärte Christine.
Oda war beeindruckt. Sie selbst hätte zwar die Rasse gewusst, mehr aber auch nicht.
»Fabian? Nein.« Nora Brandis lächelte, als sei die Frage an sich völlig utopisch. »Das ist meiner. Also, ich meine, ich hab einen Jagdschein. Schon seitdem ich sechzehn bin. Mein Vater ist Jäger, ich bin schon als kleiner Zwerg begeistert mit ihm losgezogen. Und so logisch, wie für andere der Führerschein ist, war für mich der Jagdschein.«
Oda riss sich vom Hund los, richtete sich auf und konnte beim Anblick von Christine und Nora Brandis ein Grienen nicht vermeiden.
Vorzeigemädels waren sie, alle beide. Christine hatte ihren beigen Schal ebenso kunstvoll um den Hals geschlungen wie die junge Brandis, während Oda sich das Ungetüm, das Alex vor ein paar Jahren mit mehr Liebe als Talent für sie gestrickt hatte, einfach irgendwie umgewickelt hatte. Ohne sich einem Vergleich unterziehen zu wollen, stellte Oda fest, dass sie die Außenseiterrolle dieser Frauen-Troika bildete: Gegenüber den beiden anderen konnte sie modemäßig nicht punkten. Aber gottlob wollte sie das auch gar nicht, hatte so etwas noch nie gewollt.
Oda und Mode, das waren zwei völlig konträre Welten. Vielleicht lag es daran, dass ihre Figur seit jeher nicht ins Modelraster à la Heidi Klum passte. Aber Oda wollte auch nicht durch Äußerlichkeiten überzeugen, ihr reichte ihr Verstand, mit dem sie schon so manche Schlacht für sich entschieden hatte. Gemeinsam mit ihrem phänomenalen Gedächtnis, auf das nicht nur Christine, Nieksteit und Lemke, sondern auch ihr Chef Hendrik Siebelt richtiggehend neidisch waren. Wo die anderen sich Notizen machen mussten, speicherte Oda alles direkt im Gespräch auf der Festplatte ihres Gehirns ab.
»Danke, dass wir uns hier treffen können.« Nora Brandis trat fröstelnd von einem Fuß auf den anderen. »Zu Hause … hier kann ich besser reden.«
»Kein Problem«, erwiderte Oda.
»Wir könnten in die Cafeteria gehen«, schlug die junge Frau vor. »Da ist jetzt nicht mehr viel los, und wir kriegen dort einen vernünftigen Kaffee. Aber wir können auch spazieren gehen, der Stadtpark ist ja direkt um die Ecke.«
»Was Ihnen lieber ist«, sagte Oda mit einem Blick auf Cora. Nora Brandis atmete durch.
»Dann lassen Sie uns ein wenig laufen. Ich hab das Gefühl, mich bewegen zu müssen, seit … seit ich das von Fabi erfahren hab.«
Oda und Christine nahmen die Studentin, die strammen Schrittes den Weg in den Stadtpark einschlug, in die Mitte. Über den Totenweg kamen sie zu einem Teil der Teichanlage, die sich durch den gesamten Park zog. Noch war die Oberfläche nur an manchen Stellen hauchdünn gefroren, die Enten paddelten fröhlich umher und gründelten, als ob der nahende Winter ihren Lebensraum nicht beschneiden würde.
»Ich habe Ihre Facebook-Unterhaltungen mit Fabian Baumann gelesen«, begann Oda. »Also das, was Sie an seine Pinnwand gepostet haben. Der Tonfall hat sich verändert. Warum?«
»Was meinen Sie?« Falls Nora Brandis von dieser Frage überrascht war, zeigte sie es nicht. Sie lief weiter, ganz so, als unternähme sie einen harmlosen Spaziergang mit ihrem Hund. Die Schritte knirschten leicht auf den Muschelsplittern des Weges. Links standen kahle Bäume, rechts öffnete sich ein Feld, abgemäht und darauf wartend, im Frühjahr wieder Gras zur Heuproduktion wachsen zu lassen. Oda drehte mit Jürgen gern mal eine Joggingrunde im Stadtpark, ebenso wie viele andere Wilhelmshavener, obwohl man das Areal eher als kleinen Wald mit Wiesenflächen bezeichnen musste denn als eine gepflegte Parkanlage. Schon als Kind war Oda gern hier gewesen. Sie hatte Winter erlebt, in denen sie auf dem großen Teich Schlittschuh fahren konnte, und Sommer, in denen sie mit einer Freundin Tretboot gefahren war. Heute liebte sie es, zu Beginn der Rosenblüte ins benachbarte Rosarium zu gehen, das sich im Juni in ein regelrechtes Paradies verwandelte. Am Eingang des Stadtparks, im Restaurant »Bootshaus«, feierte ihre Großtante gern die Geburtstage.
»Ich glaube nicht, dass ich das erklären muss, Sie sind ja ein intelligenter Mensch«, sagte sie gelassen. »In den letzten Tagen gab es kein Liebesgesäusel mehr. Wir fragen uns einfach, was der Auslöser für diesen Gefühlsumschwung war.«
»Der Auslöser.« Ein knapper Lacher entfuhr der jungen Frau. »Würden Sie eine Trennung als Auslöser für einen Gefühlsumschwung akzeptieren?«
* * *
Christine legte Krügers
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