Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
Protokoll beiseite. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon kurz vor sechs. Längst Feierabend, aber das interessierte in solchen Fällen keinen. Auch Nieksteit, Lemke und Oda waren noch da und versuchten, Licht in den Fall zu bringen. Erfreulicherweise hatte der Kommandant der Fregatte »Jever« ihnen jegliche Unterstützung nicht nur zugesagt, sondern half mit seiner Besatzung, wo er konnte. Damit revidierte er automatisch Christines Einstellung zur Marine. Immer hatte sie gedacht, es mit einem in sich abgeschlossenen Zirkel zu tun zu haben. Die Offenheit und das Entgegenkommen des Kommandanten hatten sie dementsprechend überrascht und erfreut, und nur kurz nachdem Tieden Fabian Baumanns Kammer hatte absperren lassen, war Manssen mit seinem Team angerückt, um den Raum im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe zu nehmen. Was die KT wohl alles zutage fördern würde? Gab es Spuren dieser Drogen auch an Bord? In oder an den Kleidungsstücken, die ordentlich im Spind hingen? Die große Frage war, wann und ob Baumann das Zeug überhaupt selbst konsumiert hatte. Natürlich mussten auch die anderen Untersuchungsergebnisse abgewartet werden, das dauerte immer ein wenig.
Derweil stand nach wie vor Baumanns Laptop auf dem Prüfstand. Nieksteit versuchte, in die Tiefen dessen zu gelangen, was der junge Oberleutnant hinter Passwörtern versteckt hatte. Christine wusste, wenn es einer schaffte, sie zu knacken, dann er.
Es klopfte. Noch bevor Christine »Herein« rufen konnte, stand Oda vor ihrem Schreibtisch.
»Und, was meinste?« Oda hielt ein paar Zettel in der Hand, die unschwer als Obduktionsbefund zu erkennen waren.
Christine lehnte sich zurück. »Es muss ganz schön viel Wut im Spiel gewesen sein. Da hat jemand heftig zugeschlagen.«
»Und das vermutlich sogar gezielt. Ich wette, derjenige betreibt Kampfsport«, sagte Oda lässig. »So ein Handkantenschlag gegen den Kehlkopf ist zwar verboten, aber eine gute Methode zur Selbstverteidigung.«
»Jedenfalls war es kein Unfall. Davon war ja eigentlich schon nach Krügers erster Einschätzung auszugehen. Und du hast recht, was den Kampfsport angeht. Ich glaube auch, wir haben es mit jemandem zu tun, der sich auf dem Gebiet gut auskennen muss. Denn nach dem Schlag gegen den Kehlkopf hat man dem bewusstlosen Baumann ja wohl zusätzlich beidseitig mit hohler Hand auf die Ohren geschlagen.«
»Was auch zu den verbotenen Kampftechniken gehört. Baumann hatte keine Chance. Und unser Täter kann sich nicht mit einem Streit rausreden oder damit, aus Versehen den Kehlkopf getroffen zu haben. Die Schläge gegen die Ohren sprechen eindeutig für Vorsatz.« Oda lehnte sich gegenüber von Christines Schreibtisch an die Wand des kleinen Raumes.
»Was uns zu der Frage führt, wer über solche Techniken verfügt.«
»In der Tat. Denn Kampfsport steht für die Durchschnittsbesatzung nicht auf dem Stundenplan. Es sind also nur wenige Experten an Bord. Rauszubekommen, wer dazugehört, dürfte nicht so schwer sein. Bei Marinesicherern und Kampfschwimmern ist das anders. Für die gehört der Kampfsport zum Job. Aber das hab ich ja schon erzählt. Oder?«
Christine nickte. »Dann werden wir uns morgen die Mannschaft auf der Suche nach diesen Experten vornehmen«, sagte sie, worauf Oda schallend lachte und Christine errötete.
»Nee, meine Liebe, das sind um die hundertsechzig. So viele müssen wir nicht befragen. Kannst also wieder durchatmen. Baumann hatte als Offizier natürlich nicht zu allen Verbindung, obwohl er es im Decksabschnitt fast ausschließlich mit Mannschaftsgraden zu tun hatte.«
»Das meine ich doch«, sagte Christine angefasst. »Leg doch nicht jedes meiner Worte auf die Goldwaage.«
»Ach Süße, manchmal bist du wirklich schwierig.«
* * *
Malte Kleen war nervös. Irgendetwas stimmte nicht, stank ganz gewaltig zum Himmel. Natürlich konnte es Unfälle geben. Auseinandersetzungen, die eskalierten. So was kam vor, überall und jederzeit. Doch etwas an Fabians Tod war ihm nicht geheuer. Er hätte schwören können, dass Nora die Anruferin gewesen war, die Fabian am Vorabend seines Todes angerufen und mit der er sich noch verabredet hatte. Nora jedoch hatte es abgestritten, und etwas an der Art, wie sie gesprochen hatte, hatte ihn unsicher werden lassen. Dennoch glaubte er ihr nicht. Fabian hatte beim Telefonieren genervt geklungen, und immer wenn Malte ihn auf diese Art hatte telefonieren hören, waren Frauen am anderen Ende der Leitung gewesen. Oder
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