Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
auf ihre ohnehin nicht gerade schmalen Hüften setzen.
Das Strahlen verschwand abrupt aus Christines Gesicht. »Nein, du hast nichts überhört«, sagte sie knapp. »Die Gerüchteküche hat noch nicht zu brodeln begonnen, weil noch kein Feuer entfacht wurde.«
»Also ist noch alles beim Alten.«
»Wenn du es so siehst …«
»Mensch, Christine.« Oda konnte nicht anders, als ihrer Kollegin ins Gewissen zu reden. »So geht das doch nicht! Du bist doch keine Frau, die man nebenherlaufen lässt. Wenn er mit seiner Frau nicht mehr zusammenleben kann, dann soll er das gefälligst auch offiziell machen. Stell dir mal vor, man sieht euch beide irgendwo. Turtelnd auf dem Segelboot, Händchen haltend im Restaurant oder so. Dann stehst du als die Geliebte da, das heimliche Verhältnis. Das hast du doch überhaupt nicht nötig. Wenn es darum geht, die Kinder zu schützen, klar, da ist ganz viel erlaubt. Aber wenn es denn stimmt, was er sagt, und er seit einem Jahr in der Einliegerwohnung im eigenen Haus wohnt, müssten sich die Kinder inzwischen daran gewöhnt haben. Und sowohl Mama als auch Papa müssen ein Eigenleben führen dürfen.«
»Oda. Das geht dich nichts an«, protestierte Christine.
»Natürlich geht es mich nichts an. Einerseits. Andrerseits aber doch. Denn du bist meine Kollegin, und ich mag dich. Und ich finde, dass du viel zu wertvoll bist, um dich von so jemandem wie Steegmann als zweite Geige behandeln zu lassen. Prost.« Sie hob ihren Kaffeebecher.
»Das hast du lieb gesagt«, sagte Christine und stieß mit ihr an.
Oda kräuselte die Stirn, als sie ihrer Kollegin ins Gesicht sah. Deren Augen waren tatsächlich ein wenig feucht geworden.
* * *
Normalerweise liebte Nora das Judotraining, aber drei Mal pro Woche war ihr momentan eigentlich zu viel. Doch sie arbeiteten auf die deutschen Meisterschaften hin, und man rechnete Nora durchaus eine Chance auf eine der Medaillen aus. Da wollte sie ihren Trainer nicht enttäuschen und nutzte die Möglichkeiten an der Jade Hochschule, um zusätzlich mit anderen ihres Jahrgangs zu trainieren. Außerdem spürte sie, dass ihr diese Ablenkung gerade jetzt guttat. Verschwitzt vom Sport – das Duschen in den Waschräumen der Turnhalle löste rein gedanklich schon einen Herpes bei ihr aus –, schloss Nora die Haustür ihres Elternhauses auf, hörte Frauenstimmen aus der Küche und stutzte. Hatte ihre Mutter Besuch? Sie warf einen Blick auf die Uhr. Halb drei. Das war keine Zeit, zu der hier Besuch empfangen wurde, und ihre Mutter würde auch nie mit ihren Freundinnen in der gemütlichen Wohnküche sitzen. Wenn es Besuch gab, dann doch bitte im repräsentablen Wohn- und Esszimmer, das ihre Eltern im letzten Jahr für ein kleines Vermögen umgebaut hatten. Sie zog ihre Daunenjacke aus und warf sie über einen Haken an der großzügigen Flurgarderobe. Die Sporttasche schob sie darunter. Im Gehen zog sie sich das Haargummi aus dem Zopf und betrat die Küche. Überrascht sah sie die beiden Kommissarinnen, mit denen sie bereits über Fabian gesprochen hatte, in einem angeregten Plausch mit ihrer Mutter.
»Moin«, grüßte Nora, und sofort kam Cora, die unter dem breiten Küchentisch aus gelaugter Kiefer gelegen hatte, schwanzwedelnd angelaufen. »Na, meine Süße, geht’s dir gut?«, fragte sie ihre Hündin und knuddelte sie. Cora versuchte spielerisch, ihr in die Hand zu beißen, was sie mit einem strengen »Aus« sofort unterband. Dem Befehl »Hundeplatz« folgte die Weimaranerin umgehend.
»Ey, das ist ja cool«, sagte die Dunkelhaarige, als Cora sich auf eine geblümte Fleecedecke an der Terrassentür legte. »Wie funktioniert das denn?«
»Erziehung und Disziplin«, erklärte Nora, wusch sich die Hände und begrüßte anschließend die Kommissarinnen. »Ich nehme an, Sie sind nicht hier, um mit meiner Mutter oder mir über meinen Hund zu sprechen?«
Damit stellte sie sofort klar, dass sie keineswegs die Absicht hatte, eine heitere Small-Talk-Runde einzuläuten.
Augenblicklich erstarrte ihre Mutter, streckte den Rücken durch und fragte steif: »Möchtest du auch einen Kaffee? Die Kommissarinnen haben nur auf dich gewartet. Ich lasse euch dann allein.«
»Ist schon gut, Mama.« Nora konnte einen leicht genervten Unterton nicht verhindern, denn sie konnte es partout nicht ab, dass ihre Mutter immer so schnell einschnappte und beleidigt war. Es lag doch wohl auf der Hand, dass die Kommissarinnen gekommen waren, um Fragen zu Fabian zu stellen.
In diesem Moment war
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