Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
finden. Erst wenn die vernichtet war, war alles gut, konnte er sich entspannen, dann stand seiner Zukunft nichts im Wege.
Warum er so dumm gewesen war, sich auf diese andere Sache einzulassen, wusste er heute nicht mehr. Gut, es war Alkohol im Spiel gewesen. Und er hatte dazugehören wollen. Da tat man Sachen, die man im nüchternen Zustand nie und nimmer tun würde. Seine Reue war allerdings zu spät gekommen. Fabian hatte ihn ausgelacht, als er ihn gebeten hatte, die Aufnahmen zu löschen. »Bist du verrückt? In zwanzig Jahren werden wir uns wegschmeißen vor Lachen, wenn wir das sehen.«
Volker drückte gegen die Tür, die vom Appartementhaus auf den Parkplatz rausging. Nichts. Gut, es war einen Versuch wert gewesen. Dann würde er eben vorn reingehen, vielleicht kam ja zufällig einer der Mieter vorbei, und er konnte auf diese Art ins Haus gelangen. Sonst würde er einfach irgendwo klingeln, irgendjemand würde schon den Summer drücken, der die Haustür öffnete. Er lief über den Parkplatz auf die Seitenstraße, dann links und wieder links, bis er auf der Bismarckstraße stand. Ein paar Meter weiter vorn parkten zwei weiße Bullis. Volker stockte. Dann jedoch schalt er sich einen übervorsichtigen Dummkopf. Warum sollten die denn nicht hier parken, es war eine öffentliche vierspurige Hauptverkehrsstraße mit jeder Menge Geschäften, Versicherungen, dem Marktplatz und dem Rathaus in der Nähe? Dennoch verlangsamte er seinen Schritt, als er auf den Eingang zuging.
Er wollte eben auf einen der zahlreichen Klingelknöpfe drücken, als sich die Tür öffnete und zwei Frauen um die siebzig herauskamen. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie ihn nicht beachteten. Volker fing Gesprächsfetzen auf, als er an ihnen vorbei ins Haus schlüpfte.
»Unvorstellbar. Da hat man jetzt schon die Polizei im Haus«, sagte die eine, und die andere erwiderte: »Das ist wohl Routine. Da brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Herr Kleen war doch bei der Marine. Da sind nur ordentliche Leute. Und schließlich kennen wir ihn.«
Die Tür fiel hinter den beiden ins Schloss, und Volker blieb wie angewurzelt im Hausflur stehen. Wenn er das gerade richtig verstanden hatte, war die Kripo in diesem Moment in Maltes Wohnung. Und das hieß, sie würden gründlicher, als er es sicherlich vermochte, jeden Quadratzentimeter auf den Kopf stellen. War das wirklich üblich, wenn jemand bei einem Autounfall starb? Oder lag es daran, dass Malte Fabians Kamerad gewesen war?
Volker dachte nach. Es gab zwei Möglichkeiten. Er konnte die Treppe hochgehen, vor Maltes Tür stoppen, völlig überrascht tun und behaupten, er sei ein Kamerad und habe Malte, wie verabredet, auf einen Kaffee besuchen wollen.
Oder aber er ging, ohne sich davon zu überzeugen, dass die beiden Frauen recht hatten und die Kripo tatsächlich Maltes Wohnung auf den Kopf stellte. Wofür die weißen Bullis auf der Straße sprachen. Nein. Versuchen musste er es auf jeden Fall. Wenn die vielleicht gar nicht mehr da waren, hatte er eine Chance, reinzukommen und sich selbst umzugucken. Die Spuren, die er dabei hinterließ, wären ja nach der Durchsuchung völlig harmlos. Und vielleicht würde er finden, was die nicht gefunden hatten. Beherzt lief er die Treppe hoch. Als er auf den langen, schmalen Flur trat, von dem Maltes Appartement abging, und die Geräusche aus der kleinen Wohnung hörte, verließ ihn der Mut.
Er machte auf dem Absatz kehrt.
Nein, heute war nicht der richtige Zeitpunkt. Er würde wiederkommen.
* * *
Da war es nur noch einer.
Das Erschrecken über Maltes Tod ist überall groß. Es ist faszinierend, wie sich Angst breitmacht, nur weil innerhalb so kurzer Zeit zwei Menschen einer Gemeinschaft, zwei junge Menschen, sterben. Dabei waren es doch zwei völlig unterschiedliche Todesarten. Das gibt mir Auftrieb. Macht. Ich habe bislang nicht gewusst, wie erfüllend es sein kann, solche Macht zu besitzen. Ich muss wohl einen Pakt mit … ja, mit wem eigentlich? Nun, es wird wohl der Teufel sein, mit dem ich einen Pakt geschlossen habe.
Dabei hatte Malte die Wahl. Und durchaus eine Chance. Er hätte sie nur erkennen und wahrnehmen müssen.
Man hat immer die Wahl. Auch Fabian könnte noch leben, wenn er sich anders entschieden hätte.
Malte muss die Müdigkeit gespürt haben. Er hätte einen Rastplatz anfahren können. Pause machen.
Sicher, die Dosierung der Tropfen war hoch. Ich habe gelesen, dass unter ihrer Einwirkung auch Atemdepressionen und
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