Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
den Baumanns zu haben. Ihrer Mutter hatte sie gesagt, sie würde so unter Fabians Tod leiden, dass sie es nicht aushalten konnte, mit Lutz oder Ute zu telefonieren. Mit Saskia, Fabians Schwester, hatte sie inzwischen allerdings doch einmal gesprochen. Das Telefon vibrierte erneut. Nora stellte auch den Vibrationsalarm aus. Sie versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was die Dozentin erzählte, aber das fiel ihr verdammt schwer. Warum konnte Lutz sie nicht einfach in Ruhe lassen?
Gut, es hatte diese Schwingungen zwischen ihnen gegeben. Aber sie hatten die Grenze nie überschritten. Oder war lediglich sie selbst es gewesen, die Lutz nonverbal deutlich gemacht hatte, dass es mehr als nette Gespräche, so intim sie auch gewesen sein mochten, nicht geben würde? Sein Verhalten bei ihrem letzten Treffen ließ ja keinen Zweifel daran, dass er mehr wollte. Und das, wo sein Sohn gerade verstorben war. Allein bei der Erinnerung daran, wie er sie angefasst und ihr ins Ohr geflüstert hatte, wurde ihr erneut schlecht.
Rascheln und Unruhe rissen sie aus ihren Gedanken, die Vorlesung war beendet. Nora schnappte sich ihre große Ledertasche und verließ als eine der Ersten den Hörsaal. Sie schlüpfte in ihre Jacke und schlang sich einen alten Schal um den Hals, denn ihren schönen hatte Lutz … Er war jedenfalls weg.
Sie lief vor die Tür. Die eisige Kälte kühlte ihr vor Aufregung gerötetes Gesicht, doch die Sonne tat gut. Sie spürte, wie sie ruhiger wurde. Vielleicht musste sie sich doch einem letzten Gespräch stellen? Sie zog ihr Handy aus der Tasche. Fünf Anrufe in Abwesenheit in den letzten zwanzig Minuten. Und eine SMS . »Verdammt, geh endlich ran«, hatte Lutz geschrieben. Sie drückte die Taste, die sie mit seinem Handy verband.
»Was willst du?«, fragte sie knapp.
»Noch einer ist tot«, sagte Lutz in einer Wortwahl, die überhaupt nicht zu ihm passte.
»Noch einer ist tot?«, wiederholte Nora, ohne zu begreifen.
»Noch einer von der ›Jever‹. Fabi hat ihn wohl gut gekannt. Der Zwo SVM Kleen.«
»Malte?«
»Du kennst ihn also auch.« Ein abschätzender Lacher tönte durch die Leitung. »Hätte ich mir ja denken können. Ja. Tieden hat mich angerufen.«
»Ich versteh überhaupt nicht, was du meinst«, sagte Nora immer noch völlig irritiert.
»Stell dich doch nicht dümmer, als du bist. Tieden sagte, die Polizei habe ihm mitgeteilt, dass der Zwo SVM unter Drogen stand, als er sich auf der Autobahn totgefahren hat. Und damit scheint ihr euch ja gut auszukennen.«
Lutz sprach weiter, aber Nora drückte die Aus-Taste. Sie merkte, dass sie schwer Luft bekam, und ließ sich auf die Stufe vor dem Eingang sinken.
»Ist was passiert?«, fragte eine Kommilitonin, die vorübereilen wollte und doch stehen blieb.
»Nein. Nein, danke«, erwiderte Nora abwesend. In einem heftigen Atemzug stieß sie die Luft aus ihren Lungen. Malte war verunglückt. Was für ein makabrer Zufall. Und Lutz nutzte das gleich aus, unterstellte ihr und Malte und wahrscheinlich auch allen anderen Freunden von Fabian Drogenkonsum. Warum hatte sie früher nie gemerkt, was für ein unangenehmer Zeitgenosse er war?
* * *
Die Nachricht von Maltes Tod sprach sich wie ein Lauffeuer herum. Aber dass Drogen im Spiel gewesen sein sollten, konnte Volker nicht glauben. Dafür kannte er Malte zu gut, der nahm keine Drogen, wenn er fahren musste.
Okay, sie hatten den einen oder anderen kleinen Joint zusammen geraucht, mehr aber nicht. Denn natürlich wusste Volker, dass er mit solchen Sachen etwas den Soldaten strikt Verbotenes machte; im Gegensatz zum Zivilsektor gab es keine Abschwächungsklauseln bei illegalen Drogen, wie Eigenbedarf oder geringfügige Mengen. Er hatte das Damoklesschwert, in Unehren entlassen zu werden und den Dienstgrad, die Abfindung und auch den Anspruch auf Berufsförderung zu verlieren, jedes Mal förmlich über sich hängen sehen. Trotzdem hatte er sich nicht aus Fabians Sog befreien können, sondern darauf gehofft, dass nie herauskam, was sie taten. Genau wie Malte. In den letzten Wochen hatte er nicht mehr mitgemacht. Sich herausgeredet damit, dass die nächste planmäßige Gesundheitsüberprüfung anstand, er wusste doch aus Krimis und Fernsehdokumentationen, dass die meisten Drogen lange nachweisbar waren.
Volker parkte seinen alten, knuffigen Nissan Micra auf dem Hof hinter dem Appartementhaus. Irgendwie musste er Zugang zu Maltes Wohnung bekommen und Fabians Handy oder zumindest diese verdammte SD -Karte
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