Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
gefunden, aber es war durch den Unfall so zerstört, dass es eines Spezialisten bedurfte, um an persönliche Daten heranzukommen. Selbstverständlich hatte Lemke auch da eine Anfrage in Sachen Telefonverbindungen laufen. Genauso wichtig wie die Telefonate, wenn nicht sogar wichtiger, waren bei diesen Smartphones jedoch die persönlichen Dinge, denn die Geräte waren ja heutzutage nicht mehr nur Telefon, sondern eher ein Mini- PC .
Eine Stunde schon las Christine sich durch die Notizen der Kollegen. Jetzt brauchte sie dringend einen Tee. Sie stand auf und reckte und dehnte den Hals, da sie spürte, dass eine weitere Verspannung im Anzug war, die linksseitig heftige Kopfschmerzen mit sich brachte.
Warum gab es auf dem Fläschchen mit den K.-O. -Tropfen Spuren von Fabian Baumann und von Malte Kleen? Hatte Kleen die Tropfen, mit denen er sich »umbrachte«, von seinem Kameraden bekommen? Aber warum lagen Baumanns Abdrücke über denen von Kleen? Sie ging auf den Flur und schaute kurz ins Büro von Nieksteit und Lemke.
»Nix Neues«, sagte Nieksteit unzufrieden, als er ihren fragenden Blick sah, und wandte sich wieder dem PC zu. Auch er und Lemke waren also frustriert, weil zu wenig wirklich vorwärtsging.
Christine goss in der Personalküche kochend heißes Wasser auf den Teebeutel in ihrem Porzellanbecher mit dem Glücksklee, schmiss ihn nach zwei Minuten Ziehzeit in den Müll, ging zurück in ihr Büro und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen.
Sie mussten etwas übersehen haben. Aber was? Etwas so Offenkundiges, dass keiner darauf kam? Der Tee war heiß, als sie den Becher an die Lippen setzte, fast hätte sie sich daran verbrannt. Was aber war offenkundig? Sowohl Fabian Baumann als auch Malte Kleen hatten mit Drogen zu tun gehabt. In beiden Fällen hatte Krüger Psilos in Blut und Urin nachweisen können. Allerdings gab es bei Fabian Baumann keinen Hinweis auf K.-O. -Tropfen, was die Tatsache, dass seine Fingerabdrücke die von Kleen auf dem Fläschchen überlagerten, in noch diffuserem Licht erscheinen ließ.
Es gab einen Fehler in ihrem Denken, und sie kam nicht dahinter, wo dieser Haken lag. Also musste sie bei Adam und Eva anfangen. Sie griff sich zwei Blanko- DIN-A 4-Blätter, klebte sie mit Tesafilm zusammen und malte je einen Kreis auf jede Seite. In den linken schrieb sie den Namen Baumann und in den auf der anderen Seite Kleen. Doppelte Pfeile, die von einem Kreis zum anderen gingen, beschriftete sie mit ›Psilos‹ und › GHB ‹. Sie wandte sich ihrem Computer zu und hatte innerhalb weniger Minuten herausgefunden, dass man nicht nur die Pilze, sondern auch die Tropfen im Internet kaufen konnte. Fünfundzwanzig Milliliter kosteten einhundertachtunddreißig Euro. Ein Irrsinn, dass so etwas überhaupt möglich war, aber immerhin ein Punkt, an dem sie ansetzen konnte.
Dass Malte Kleen durch die K.-O. -Tropfen derart außer Gefecht gesetzt worden war, dass er den tödlichen Unfall auslöste, musste aber noch lange nicht heißen, dass er die Dinger selbst genommen hatte. Auch dass das Fläschchen bei seinen Sachen gefunden wurde, war kein Beweis. Den Spuren zufolge gab es zwar einen potenziellen Kandidaten. Doch obwohl Fabian Baumanns Fingerabdrücke die von Malte Kleen überlagerten, konnte er diesem die K.-O. -Tropfen nicht verabreicht haben, denn zu dem Zeitpunkt war er schon mehrere Tage tot gewesen. Laut Manssen war ein Teil der Fingerabdrücke außerdem verwischt.
Was für ein Durcheinander. Nichts schien zusammenzupassen. Aber Christine spürte, dass in diesem Durcheinander die Fäden lagen, die sie der Lösung näher bringen würden.
Sie starrte erneut auf die Zeichnung und fügte Nora Brandis hinzu. Sie setzte die junge Frau in die Mitte, ließ den Pfeil jedoch zunächst nur von ihr zu Fabian Baumann gehen. Welche Rolle spielte Malte Kleen? Gab es eine Beziehung, und wenn ja, in welcher Form? Cherchez la femme, forderte schon ein altes französisches Sprichwort, und Nora Brandis bot sich als Mittelpunkt eines Beziehungsdramas hervorragend an. Zudem gab es einen dritten Freund, der am Abend vor Fabian Baumanns Tod dabei gewesen war. Volker Wilken, Zweiter Navigationsoffizier. Christine setzte auch ihn auf das Papier, weiter unten, an den Rand, weil sie ihm noch keine direkte Position innerhalb des Geflechts zuzuordnen vermochte. Wieder betrachtete sie ihre Konstruktion. Dann nahm sie aus ihrem Papierhalter verschiedenfarbige Zettel, schnitt sie zu Kreisen und beschriftete sie mit Ute
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