Wagner und Cordes 05 - Mord im Nebel
auf. Wir haben die Versandbestätigung und Bestellformulare auf seinem Computer gefunden. Das war nichts für einen allein. Zumindest nicht für einen, der damit während der Dienstzeit und auch sonst nicht auffallen wollte.«
»Manchmal hat er auch geteilt.«
»Mit Ihnen?«
»Nein!« Entsetzt schüttelte Nora den Kopf. »Ich hab das nie genommen.«
Jetzt mischte sich Oda Wagner ein. »Warum denn nicht?«
Nora brauchte einen Moment, um zu antworten. Tränen wollten nach oben steigen, aber die musste sie unterdrücken. Automatisch fuhr ihre linke Hand zum Mund, und ohne dass sie es kontrollierte, knabberte sie am Nagel ihres Daumens. Die beiden Kommissarinnen ließen ihr Zeit. Das war gut. Sie hätte nicht sagen können, ob es drei Minuten, vier oder fünf waren, in denen niemand etwas sagte, dann entschloss sie sich zu reden.
»Fabian war ein Mensch, der auf der Überholspur lebte. Einer, der auf der Sonnenseite des Lebens geboren war, der keine Grenzen kannte oder sie zumindest nicht anerkannte. Fabians Ziel war, so zu werden wie sein Vater, vielleicht sogar, seinen Vater zu übertrumpfen. Erfolgreich wollte er sein, angesehen und respektiert. Da trafen zwei Dinge aufeinander, die nicht so leicht vereinbar waren, denn seinen Vater würde er auf dem beruflichen Sektor kaum so schnell überholen können. Irgendwann sicher, aber nicht in absehbarer Zeit, es braucht viel Berufserfahrung, um Kommandeur eines Marinestützpunktes zu werden. Fabi hatte viel von Lutz, nur eben in der noch unausgereiften Form. Die Art, anderen Menschen den Eindruck zu vermitteln, er sähe auf sie herab, zum Beispiel. Fabi verstand es meisterhaft, andere glauben zu machen, sie würden auf keinem Gebiet gegen ihn ankommen, ihm nie das Wasser reichen können.«
»Wenn Sie von Lutz sprechen, meinen Sie Lutz Baumann, den Vater ihres toten Freundes. Ist das richtig?«, fragte Oda Wagner.
»Ja. Lutz ist ein beeindruckender Mann.« Nora stoppte kurz, fuhr dann jedoch fort: »Er ist ein Fels in der Brandung. Intelligent. Ein Mann mit Niveau. Wenn er in einer Gruppe ist, verblassen die anderen Männer.«
»Wow. Das klingt ja fast wie eine Liebeserklärung. Aber Sie waren doch mit dem Sohn liiert?«
»Natürlich.« Nora riss sich zusammen. Hoffentlich hörten die beiden Kommissarinnen den bitteren Unterton in diesem Wort nicht heraus. »Ich wollte Ihnen nur einen Eindruck von dem familiären Druck verschaffen, unter dem Fabian stand.«
»Lassen Sie uns auf die Drogen zurückkommen«, sagte Christine Cordes.
»Ja.« Nora atmete ein paarmal tief ein. Sie nickte, als ob sie sich selbst anfeuern müsste. »Wie ich schon sagte, lebte Fabian gern am Rande des Limits, testete alles aus. Einiges habe ich mitgemacht. Zum einen, weil ich neugierig war, zum anderen, weil er sagte, ich müsse es tun, um ihm meine Liebe zu beweisen. Das habe ich am Anfang auch getan. Als wir das erste Mal einen Joint zusammen rauchten, hab ich hinterher über der Kloschüssel gehangen und mich übergeben. Als tolles Erlebnis kann ich das nicht gerade bezeichnen. Ein anderes Mal haben wir Cannabis in Kakao aufgelöst und getrunken. Ich hatte aber keine wunderbaren Visionen oder Zustände, nur ganz viel Angst. Und wollte so was danach nicht mehr. Aber Fabi kam mit diesen Pilzen an. Die wären echt der Hammer, hat er gesagt, Dynamit für Gedanken und Gefühle.«
»Aber Sie wollten kein Dynamit?«, vermutete Oda Wagner richtig.
»Nein. Ich hatte eine Höllenangst vor allem, was stärker ist als Cannabis.«
»Fabian Baumann hatte in diesem Punkt aber wohl kein Verständnis für Sie?«
»Nein.« Es war ein leises Nein, aber dennoch eins, das die Dämme in Nora brechen ließ. Ohne dass sie es verhindern konnte, liefen die Tränen, die nicht erst seit Fabians Tod, sondern schon seit dem letzten furchtbaren Streit in ihr schlummerten.
* * *
Als Volker die Messe betrat und Katharina am Tisch sitzen sah, überlegte er nicht lang. Ohne zu fragen, setzte er sich zu ihr. Griff zur Schüssel mit den Nudeln und häufte sich den Teller voll. Bologneser Soße gab es, dazu einen grünen Salat mit Zitronendressing. Einfach, aber lecker. Wie alles, was an Bord der »Jever« zubereitet wurde.
Es war das erste Mal, dass er Katharina sah, nach …
»Jetzt auch noch Malte«, sagte er und wusste, in diesen Worten lag alles, damit war alles gesagt.
»Ja.« Auf Katharinas Teller befand sich nur ein kleiner Klecks Nudeln mit einem Hauch von Soße.
»Fabian und Malte. Innerhalb so kurzer
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