Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
war letztes Jahr einem Schlaganfall erlegen. Vielleicht waren doch Drogen im Spiel?
Als zwei Redakteurinnen laut lachend zu meinem Schreibtisch herüberkamen, steckte ich den Brief rasch weg. Ich musste noch darüber nachdenken. Und ich wollte ihn mir für die Redaktionssitzung aufheben. Ein kleiner netter Knalleffekt. Mira Valensky, die etwas lieferte, wenn man sie auf die menschlichen Seiten des Wahlkampfes ansetzte.
Es war keine gute Idee gewesen. Droch rächte sich dafür, dass ich ihm den Brief nicht vorher gezeigt hatte. Nachdem der Zettel in der Redaktionssitzung die Runde gemacht und ich die verschiedenen Möglichkeiten erläutert hatte, sah mich Droch ausdruckslos an. »Sind Sie sicher, dass Sie den Brief nicht selbst geschrieben haben?«
Ich sah ihn fassungslos an.
»Na, immerhin wollen Sie die Geschichte krampfhaft am Kochen halten.«
Ich schüttelte den Kopf und suchte fieberhaft nach einer passenden Antwort. Darauf wäre ich nie gekommen. So ein …
»Sehen Sie mich nicht so wütend an«, spöttelte Droch, »vielleicht war es ein Spinner. Irgendein Linker, der Vogl nicht mag. Oder ein anderer Verwirrter.«
Ich hatte meine Sprache wiedergefunden. »Warum ein Linker? Woher soll Ihr Linker von meiner Recherche gewusst haben?«
Einige nickten. Der Chefredakteur hatte den Mund leicht geöffnet, aber offenbar nicht, um etwas zu sagen.
»So etwas spricht sich herum«, erwiderte Droch, »vergessen Sie also Ihre Fantastereien über Mord im Wahlkampf. Henker, dass ich nicht lache! Wie peinlich. Das spielt es nicht. Wir haben die Selbstmord-Story. Als einziges Blatt. Aber so, wie es sich gehört: Ein kleiner Mitarbeiter, der Selbstmord begangen hat. Etwas Spekulation darüber, ob der Wahlkampf ein Motiv für seinen Selbstmord sein könnte. Wasser auf die Mühlen des Bündnisses, die können sich bei Ihnen bedanken.«
»Woher wissen Sie mit Sicherheit, dass es Selbstmord war?«
»Mit Sicherheit weiß ich gar nichts, aber die Polizei sagt, es war Selbstmord und hat die Untersuchung abgeschlossen.«
»Woher wissen Sie …«
»Ich habe recherchiert. So etwas gibt es. Ich kann es Ihnen buchstabieren. Und: Der Akt ist zu.«
»Und man hat Ihnen …«
»Man hat.«
Ich schüttelte wütend den Kopf. »Ich möchte es wissen, wenn meine Artikel geändert werden.«
»Sie erfahren es jetzt.« Das war der Chefredakteur. »Und außerdem sollten Sie den Drohbrief aufheben, man weiß ja nie …«
»Nein, das weiß man nicht«, sagte Droch und sah mich spöttisch an.
Die Reportage über Bellini-Kleins Selbstmord war bloß eine Seite lang. Um zwei Uhr waren die ersten Hefte direkt bei der Auslieferung zu haben, ab vier gab es sie im Straßenverkauf. Kurz vor fünf rief mich Valentin Wessely vom Bündnis an. Er bat mich vorbeizukommen. »Wir wollten Sie längst schon einmal einladen, uns zu besuchen. Unser Büro ist zwar nicht so schick …«
»Als Lifestyle-Reporterin?«
Wessely stutzte. »Aber … Sie sind doch jetzt mit Wahlkampfthemen …?«
»Vor einer Stunde ist meine erste Story erschienen.«
»Wie auch immer, hätten Sie nicht Lust vorbeizuschauen?«
Das Wahlbüro des Bündnisses war tatsächlich mit dem von Vogl nicht zu vergleichen. In einem engen Stiegenhaus türmten sich Plakate der Kandidatin. An der Türe des Büros stand groß: »Alle für Johanna.« Das Poster konnte bei weitem nicht alle Stellen, an denen die Farbe abgeblättert war, zudecken.
Valentin Wessely öffnete die Tür. Ich hätte ihn nicht erkannt. Er war einer der Menschen, die ich immer wieder vergessen würde. Braune Haare, mittelgroß, schwarze Jeans, um die 40. Einer, der es nie ganz geschafft hatte. Wessely bat mich einzutreten. »Wir haben dieses Büro von einer Sozialinitiative übernommen, nicht von einer Bank. Aber eines ist gleich: Beiden ist das Geld ausgegangen.«
Überall geschnorrte Möbel, nichts passte zusammen. Luftballons mit dem Spruch: »Damit es anders wird.« Eine Türe ging auf. Dahinter sah ich zwei weitere Stapel mit Plakaten und eine Badewanne. »Da sind wir ungestört«, sagte Wessely. »Wir besprechen vieles im Badezimmer.«
Aus dem Badezimmer kam eine jüngere Frau, die gestresst wirkte. Wessely stellte sie mir als seine Kollegin Irmgard Fink vor.
»Sie wollen mit mir ins Badezimmer?«, fragte ich. Wessely lachte peinlich berührt. »Nein, wir gehen ins Zimmer von Johanna Mahler.«
Jeder Millimeter dieses Wahlbüros wurde genutzt. Gelächelt wurde weniger, aber gegenüber Vogls gestylter Welt erschien
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