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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Badezimmer und dann zum Telefon. Bein hatte ich mir jedenfalls keines gebrochen, wenn auch der linke Knöchel bei jedem Schritt einen spitzen Schmerz in meine Nervenzentren sandte. Ich lehnte mich an den Kühlschrank und versuchte wieder, langsam und ruhig durchzuatmen. Das ging nun schon besser, zumindest etwas. Ich nahm ein Glas und bemerkte, dass mein rechter Ärmel blutig war. Die Hand zitterte so stark, dass ich beide Hände um das Glas schloss. Jetzt konnte ich mich aber nicht mehr fortbewegen, denn ich brauchte eine Hand, um mich abzustützen. Ich hatte einmal gelesen, dass Menschen bei extremen Schmerzen begannen sozusagen neben sich selbst zu stehen und zu agieren. Davon bemerkte ich leider nichts. Ich spürte alles, und das ohne die geringste Distanz. Mit dem Rücken zur Wand tastete ich mich ins Wohnzimmer, stellte das Glas auf den Tisch, nahm mit beiden Händen die Whiskeyflasche vom Regal und schenkte mir ein. Auf den Tropfen Wasser, der zu einem guten irischen Whiskey gehörte, verzichtete ich. Aber ich dachte daran, und das erschien mir als gutes Zeichen.
    Ich setzte mich vorsichtig. Der Oberkörper schrie Alarm. Trotzdem nahm ich einen Schluck Whiskey. Das brannte wie Feuer – ich musste mir in die Zunge gebissen haben. Der Whiskey spülte den Dreck aus meinem Mund. Noch einen Schluck. Und noch einen.
    Vom Boden erklang ein gurrender, fragender Ton. Gismo. Gismo war also nicht ausgerissen. »Gismo«, sagte ich, und es hörte sich fast normal an. Ich war überrascht. Ich konnte reden. Ich konnte die Polizei und die Rettung anrufen. Ich durfte nicht zu viel trinken. Ich sollte vielleicht zuerst eine Freundin anrufen. Ich nahm noch einen Schluck. Welche Freundin? Keine kam mir geeignet vor. Keine war mit mir in so engem Kontakt, um damit richtig umgehen zu können. Männer? Kollegen? Undenkbar. Meinen letzten Lover? Dann lieber gleich die Polizei. Vesna Krajner? Am liebsten hätte ich meine Putzfrau bei mir gehabt. Sie war so kompetent und tüchtig. Und sie erschien mir verlässlicher als manche Freundin. Kein gutes Zeichen für mein Sozialleben, wenn es einmal dick kam. Aber Vesna Krajner würde mit dem Motorrad herrasen, und sie würde darauf bestehen, dass ich ins Krankenhaus ging. Ich hegte gegen Krankenhäuser eine tiefe Abscheu. Noch nie war ich als Patientin in einem gewesen, und so sollte es auch bleiben.
    Zähne zusammenbeißen. Nicht zu viel trinken und dann schauen, ob es wirklich sein musste. Gismo verhielt sich erstaunlich ruhig. Dafür war ich ihr dankbar.
    Eigentlich sollte ich Droch anrufen. Doch der war gelähmt und konnte nicht kommen. Aber er sollte erfahren, was mir passiert war. Wer waren die beiden gewesen? Ich dachte an Bellini-Kleins Tod und an den stümperhaften Drohbrief, der umgehend umgesetzt worden war. Heute war das Blatt mit meiner Selbstmord-Story erschienen. Sie hätten wissen müssen, dass der Drohbrief erst einlangen würde, wenn das »Magazin« bereits im Druck war. Aber warum sollten sie etwas vom Zeitungsgeschäft verstehen? Und wer waren »sie«? Ich versuchte mich auf die Gesichter und auf die Statur der Schläger zu konzentrieren. Die Gesichter. Die beiden hatten dünne Strumpfmasken übergezogen gehabt. Also keine Gesichter. Sie waren beide schlank und ziemlich beweglich gewesen. Zu beweglich. Ich konnte mich an eine Hand erinnern, an eine schmale. Geballte Finger, keine Ringe. Ein Finger hatte einen langgezogenen Kratzer. Ich musste ihn verletzt haben. Vielleicht mit dem Schlüssel. Oder war es mein Blut gewesen, das an seinem Finger hinuntergeronnen war? Die Männer waren vielleicht zehn Zentimeter größer als ich gewesen. Alt waren sie nicht gewesen, nicht mit diesen Händen. Turnschuhe hatte ich gesehen, aber heute tragen ja alle Turnschuhe. Dunkle Hosen. Vielleicht schwarze Jeans oder dunkelblaue. In der Einfahrt brannte nur eine schwache Glühbirne. Hausbewohner hatten sich darüber schon öfter beschwert. Mir war das immer übertrieben vorgekommen.
    Wo war meine Tasche? Ich stand auf, die Schmerzen waren zwar noch immer da, aber durch den Whiskey angenehm dumpf geworden. Ich knipste erst jetzt Licht an, schloss geblendet die Augen und begann dann zwinkernd nach der Tasche zu suchen. Sie war nicht da. Hatte ich sie unten liegen lassen, oder hatten sie die beiden mitgenommen? Handtaschenräuber? Warum nicht? Aber Wien war doch eine ziemlich sichere Stadt, auch wenn es welche gab, die gerne anderes beschworen. Ich war nicht in der Lage, nach unten zu gehen

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