Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
dann Ruhe haben würde, wenn ich wusste, was geschehen war.
Zu Johanna Mahler vorzudringen war nicht weiter schwierig. Wessely war unterwegs, eine Mitarbeiterin klopfte an ihre Tür. Frau Mahler rief: »Ja?« Und ich trat ein. Sie saß vor einem Buch und hielt einen Kugelschreiber in der Hand. »Störe ich?«, fragte ich.
Sie seufzte. »Nein, ich habe gerade einige Notizen nachgetragen. Eine Art politisches Tagebuch. Ich habe mir gedacht, es könnte interessant sein, meinen Ausflug in die Politik festzuhalten und vielleicht ein Buch daraus zu machen. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Denn Seelenstriptease will ich keinen machen. Und an meinem Stundenplan werden wohl wenige Interesse haben. Eine ähnliche Tour wie der Regierungskandidat mit einem Zehntel des offiziellen Budgets und mit keinerlei Unterstützung durch öffentliche Stellen oder große Wirtschaftsunternehmen. Aber ich will nicht klagen. Deswegen sind Sie nicht gekommen.«
»Der Mord an Schmidt.«
»Ich werde eine Presseerklärung abgeben. Ehrlich gestanden muss ich mir erst überlegen, was ich sagen soll.« Mahler wirkte müde.
»Es vergrößert ihre Chancen.«
»Meinen Sie?« Johanna Mahler lächelte. »Wenn Vogl es nicht selbst war …« Sie zuckte zusammen. »Vergessen Sie das, ich bitte Sie, vergessen Sie das auf der Stelle. Man redet manchmal dummes Zeug, und wenn das dann irgendwo steht …«
»Ich vergesse es. Halten Sie es für möglich?«
»Nein.«
»Warum?«
»Er hat andere Methoden. Aber vergessen Sie auch das.«
Gleichklang zwischen Droch und Mahler. Das würde Droch nicht gefallen, er mochte Mahler nicht. »Kannten Sie Schmidt?«
»Wir konnten uns ein solches Kaliber nicht leisten. Ich habe ihn einmal kennengelernt, bei einer Talkshow. Es ging um die Aufarbeitung des Holocaust und um die Frage, ob das Marketing der jüdischen Organisationen richtig ist. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was er gesagt hat.«
»Und in letzter Zeit?«
»Er hat für Vogl gearbeitet. Er war immer um ihn herum. In den wenigen Fällen, in denen wir uns begegnet sind, ist er immer um Vogl herumgetanzt. Er war ein Selbstdarsteller. Im Eigenmarketing jedenfalls war er gut. Aber ich habe nie mit ihm geredet.«
»Hat er viel gewusst?«
»Das müssen Sie die Vogl-Leute fragen. Aber ich würde annehmen … Er war der Typ, der seine Nase in fremde Angelegenheiten steckte. Er hatte null Respekt, er hatte überall seine Finger drin. Aber das dürfen Sie natürlich auch nicht zitieren.«
Ich nickte. Sie schien nichts zu wissen. Dass Schmidt ein aufdringlicher Kerl gewesen war, hatte ich selbst festgestellt.
»Ich muss mich noch auf die Presseerklärung vorbereiten«, sagte Johanna Mahler entschuldigend, »gleich wird mein Pressesprecher kommen und mit mir darüber reden wollen.«
»Sie meinen, er wird versuchen, Ihnen irgendwelche Texte aufs Aug’ zu drücken«, meinte ich lächelnd.
Johanna Mahler erwiderte mein Lächeln müde. »Ich lasse mir nichts aufs Aug’ drücken.«
Aber ja doch.
»Ich bin die politische Alternative zu Vogl, und das hat auch mit einem anderen Stil zu tun. Obwohl ich mich manchmal frage, wie viel anderen Stil die Politik verträgt. Nein, wie viel anderen Stil die Politiker und die Politikjournalisten vertragen. Aber wenn es um Vermittlung geht, ist das ein und dasselbe. Vergessen Sie das. Ich bin zu früh aufgestanden. Sie haben mich in der Nacht geweckt, als die Schmidt-Sache bekannt wurde. Ich bin keine Frühaufsteherin.«
Die Frau wurde mir zunehmend sympathisch.
»Ich stehe nicht sonderlich auf Politik, ich bin da bloß hineingerutscht.«
Sie sah mich groß und ernst an. »Politik gestaltet unser aller Zusammenleben. Politik ist enorm wichtig.«
Es wirkte nicht einmal wie auswendig gelernt. Sendungsbewusstsein ging mir trotzdem auf die Nerven. Sympathie konnte eine Sache von Sekunden sein.
»Wie stehe ich zum Prater, zu Huren und zu Glücksspielen? Wissen Sie, dass ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht habe? Der Wahlkampf zwingt mich zu neuen Gedanken, das ist wahrscheinlich das Beste daran.«
Ich hörte ihr zu, obwohl es sich eher um einen Monolog zu handeln schien.
»Das moralische Getue, das mir umgehängt wird, geht mir auf die Nerven. Ich habe etwas gegen Zuhälter, nicht gegen Huren. Und Glücksspiel? Die staatlichen Kasinos machen deutlich mehr Umsatz als die Strizzis im Prater. Der Finanzminister nimmt das Kasinogeld gerne. Das werde ich sagen oder zumindest so etwas Ähnliches. Der
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