Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Wahlkampf. Ich passe auf dich auf, Mira Valensky.«
»Okay. Ich muss mich duschen und dann sofort in die Redaktion.«
»Noch ein Toter.«
Ich sah sie an. Meine Putzfrau war wirklich besorgt.
»Woher kommst du überhaupt, Mira Valensky?«
»Vom Prater. Tatort.«
»Mira Valensky, das ist …«
»Ich war nicht allein. Und du hast anderes zu tun. Ich ruf dich an.«
»Ich begleite dich, Mira Valensky, und ich hole dich wieder ab. Bodyguard. Ich bin schlau.«
Ich war übermüdet, mir ging das Herz über, ich umarmte Vesna, küsste sie auf die Wange und begann mich dann zu fürchten. Die Szenerie im Prater war zu unwirklich gewesen. Und Droch war da gewesen. Als ob er mir hätte helfen können. Aber bisher hatte ich gar nicht daran gedacht. Der Mord an Schmidt vergrößerte die Wahrscheinlichkeit, dass auch ich in Gefahr war. Da war ein Verrückter am Werk. Oder jemand mit einem Plan. Ich wusste nicht, was ich schlimmer finden sollte.
Nach einer halben Stunde war ich geduscht, hatte mir den Geschmack der Burenwurst aus dem Mund gespült, etwas Whiskey nachgegossen und war mit Vesna aufgebrochen. Gemeinsam, und ohne ein Wort zu reden, fuhren wir mit der U-Bahn die drei Stationen und gingen bis zu dem Haus, in dem die Redaktion untergebracht war. Vor dem Eingang sah ich meine Putzfrau an. Eine unauffällige Frau. Braune Stoffhosen, ein rotes Männerhemd, eher klein als groß, vielleicht so alt wie ich, vielleicht ein paar Jahre älter. Seltsam, ich hatte Vesna nie danach gefragt. Vesna, die Putzfrau, Vesna, die Mutter, Vesna, der Flüchtling.
»Warum tust du das?«, fragte ich.
»Abenteuer«, grinste Vesna. »Zu ruhig hier.«
Kluge Vesna. Jetzt grinste auch ich. Das Ganze war ein Spiel, nicht mehr, nur ein Spiel.
In der Redaktion wurde mir gesagt, dass ich in zehn Minuten zum Chefredakteur kommen sollte. Wieder einmal. Ich bemerkte, dass mich mein Tischkollege Otmar eher feindselig betrachtete. »Was ist?«, fragte ich herausfordernd.
»Das hast du geschickt eingefädelt.« Er lehnte sich gegen den Schreibtisch und ließ seine rechte Ferse immer wieder gegen das Tischbein schlagen.
»Was?«
»Schmeichelt sich ein bei Droch, und schon ist sie Sonderreporterin. Lifestyle ist der Dame offensichtlich zu minder. Mehr am Karrieretrip, oder?«
»Du spinnst.«
»Bei der Frühsitzung hat es der Chefredakteur gesagt. Du kümmerst dich um die Mordsachen im Wahlkampf. Als ob wir keine Gerichtsreporter hätten. Und keine Lokalreporter, die sich auskennen. Mira, die Tochter, ausgerechnet.«
An der Frühsitzung nahm ich nie teil. Das tat nur, wer musste oder tatsächlich am Karrieretrip war. Das war keine Zeit für Journalisten, schon gar nicht für solche mit Abendterminen. Aber unser Chefredakteur war Frühaufsteher. Er musste damit irgendetwas beweisen. Was auch immer. Otmar wartete schon lange auf eine Versetzung. Er wollte zur Politik, lieber aber noch zur Chronik. Das entsprach seinem Hang zu Action. Oder zu dem, was er darunter verstand.
»Und du tust immer so, als würde dich Politik nicht interessieren.«
»Interessiert mich auch nicht.«
Er drehte sich um und ging. Die meisten Schreibtische waren noch leer. Aber einige spöttische Blicke trafen mich dennoch. Auch das noch. Ich wünschte, Susanne wäre schon aus dem Urlaub zurück. Susanne war die Kollegin, mit der ich mich am besten verstand. Aber Susanne war noch zwei Wochen auf Mauritius.
Ich sollte mich damit nicht aufhalten. Ich setzte mich vor den Computer und überflog die Agenturmeldungen. Wenige Details. Schmidt war um 23 Uhr im Prater tot aufgefunden worden. Das Messer steckte noch, es hatte ihn genau ins Herz getroffen. Wusste ich schon. Eine Profiarbeit, vermutete die Polizei. Im Prater. Prater, das bedeutete harmlose Vergnügungen. Prater, das bedeutete aber auch illegales Glücksspiel, Zuhältermilieu, Strip-Bars, viel und schlechten Alkohol. Mir wurde schon in der Geisterbahn übel. Im Hotel Sacher hatte er mich treffen wollen. Der Prater und das Hotel Sacher. Seltsame Gegensätze. Ich musste alles über Schmidt herausfinden, was zu erfahren war – noch bevor da einiges geschönt und geglättet wurde.
Die Wahlkampfleitung von Vogl war schon aktiv geworden. In einer langen Presseaussendung gab sie bekannt, dass sie sich schon vor einer Woche von Schmidt getrennt habe. »Unüberbrückbare Gegensätze in der Anschauung«, hieß es. Das klang mehr nach Sekte als nach Politik. Schon wieder einer, der zuerst geschasst und dann tot aufgefunden
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