Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Zusammenhang mit gewissen Themen erst gar nicht aufzutauchen.
Versuche, im Gespräch mit einigen Wahlkampfmitarbeiterinnen noch irgendwelche Details über den Mord und die politischen Folgen herauszubekommen, verliefen im Sand. Die jungen Frauen waren über Johanna Mahler hellauf empört. »Jetzt hat sie sich enttarnt«, sagte eine, »der glaubt man ihre Menschenfreundlichkeit nicht mehr so schnell.«
Am frühen Nachmittag erhielten einige Medien Dossiers über Schmidt zugespielt. In meiner Redaktion war es direkt an den Chefredakteur gegangen. Er rief Droch und mich zu sich und nannte so lange Details aus dem Privatleben Schmidts, bis Droch sagte: »Wer hat Ihnen das gegeben?«
Der Chefredakteur, 20 Jahre jünger als Droch, wusste nie so recht, wie er mit ihm umgehen sollte. Er antwortete wichtig: »Niemand gibt seine Informanten preis.«
»Wollen Sie die Story schreiben?«
»Natürlich nicht.«
»Dann geben Sie uns die Unterlagen. Oder wollen Sie es sich leisten, dass wir hinter den anderen nachhinken? Wir müssen allen Informationen nachgehen und weiterrecherchieren.«
Das war der Ton, der zog. »Streng vertraulich«, sagte der Chefredakteur feierlich und übergab Droch eine unauffällige Mappe, die mit zwei roten Klammern zusammengehalten wurde.
»Von wem ist sie?«
»Ich habe eben auch meine Quellen.«
Kommentarlos rollte Droch mit der Mappe auf seinem Schoß hinaus.
»Ja dann …«, sagte ich.
»Ich will über alles informiert werden. Ständig«, forderte der Chefredakteur.
»Natürlich«, sagte ich und folgte Droch.
In Drochs Zimmer platzte ich heraus: »Ich weiß, woher die Mappe ist.« Droch sah mich an. »Sie kommt direkt aus Vogls Wahlzentrale. Die roten Klammern. Es war eine Aktion der linken Gewerkschafter. Der Wahlkampfstab sollte rote Klammern verwenden – als Erinnerung an die Klammern der Vergangenheit und so …«
Droch nickte und erzählte mir von seinem vormittäglichen Besuch. Doch seine Recherchen in der Polizeidirektion hatten nichts erbracht, was wir nicht schon wussten. Einige Zeugen konnten präzisieren, wann Schmidt das Stoßlokal verlassen hatte. Es war ein paar Minuten nach elf gewesen. Und man hatte zwei Huren vernommen, die mit Schmidt in den letzten Monaten intim gewesen waren. Immer abwechselnd, offenbar hatte Schmidt mehr Wert auf Methode als auf Stimmungen gelegt.
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Wollen Sie mit mir Händchen halten?«
»Ein Mann im Rollstuhl …«
»Spielen Sie ja nicht die Krankenschwester! Es ist nicht mein Gehirn, das gelähmt ist.«
»Ich möchte es beim nächsten Mal wenigstens wissen. Ich erzähle Ihnen ja auch, was ich in der Sache unternehme.«
»Mira«, sagte Droch erstaunlich mild, »ich bin seit mehr als 35 Jahren Reporter. Und ich bin einiges gewohnt.«
»Ich weiß, Sie sind ein Held. Kriegsberichterstatter und all das. Und ein fast tödlicher Unfall mitten im Krieg. Aber das ist 30 Jahre her.« Ich hatte viel zu viel Gefühl in meine Stimme gelegt. Ich wusste, dass Droch das nicht mochte. Ich mochte es eigentlich auch nicht. Offenbar zerrten der Mord und die Nacht im Prater an meinen Nerven. Spöttisch fuhr ich fort: »Sie sind schließlich nicht mehr der Jüngste.«
Droch schüttelte den Kopf. »Helden gibt es nicht. Und fangen Sie mir jetzt nicht mit Mutter Theresa an.«
Ich grinste. Die Situation war gerettet.
Gemeinsam gingen wir das Dossier über Schmidt durch. Die Würstelfrau hatte sich nicht geirrt. Schmidt hatte fixe Gewohnheiten. Jemand aus dem Wahlbüro musste ihn verfolgt haben. Denn nicht alle Details fanden sich in den bisherigen Polizeiberichten.
Am Abend wurde ein gewisser Franz K. festgenommen. Er stand unter Verdacht, Georg Schmidt erstochen zu haben. Franz K. hatte ein langes Vorstrafenregister. Messerstechereien spielten darin eine ebenso prominente Rolle wie Zuhälterei und unerlaubtes Glücksspiel. Ein anonymer Hinweis hatte zu Franz K. geführt, der vor einigen Tagen einen heftigen Streit mit Georg Schmidt gehabt hatte. Es war um komplizierte Geldgeschäfte gegangen. Franz K. hatte die Bezahlung einer Hure eingefordert. Schmidt hingegen hatte behauptet, Spielschulden von Franz K. gegenverrechnet zu haben. Der Streit war auch politisch eskaliert. Franz K. habe Schmidt als politischen Hurenbock bezeichnet, was darauf schließen ließ, dass einige sehr wohl über Schmidts anderes Leben Bescheid gewusst hatten. Schmidt hatte damit gedroht, dass er Franz K. jederzeit vernichten könnte. Ein Anruf,
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