Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
vom Politikteil in die Chronik gewandert. Nur zwei politische Kommentare gebe es. Und beide von reaktionären Blättern, die sich über die Schmutzkübelkampagne des Bündnisses gegen Wolfgang A. Vogl erregten. In einem lobe man sogar ausdrücklich das Krisenmanagement von Chloe Fischer. Ein politisch-strategisches Talent. Ich überlegte, was Droch schreiben würde. Die Bündnisleute gingen ihm auf die Nerven. Und nicht nur ihm. Dabei …
Ich brauchte Kraft und Inspiration für den nächsten Tag. Ich ging zum Gefrierschrank und überlegte. Schließlich holte ich eine Entenbrust heraus und taute sie in der Mikrowelle auf. Backrohr auf 200 Grad. Man müsste herausfinden, wer das Dossier über Schmidt angelegt hatte. Ich nahm die Entenbrust, rieb sie mit Salz und grobem Pfeffer ein und briet sie in einer Mischung aus Butter und Olivenöl scharf an. Die Leute müssten im Umfeld von Chloe Fischer und Orsolics zu finden sein. Denn ohne die beiden ging nichts. Aber ob die eine immer wusste, was der andere tat?
Ich goss mit Cointreau auf, ließ die Flüssigkeit etwas einkochen und legte die Entenbrust in eine Tonschüssel. Das Dossier war ein Angelpunkt. Ein anderer konnten die Kontakte von Schmidt sein. Vielleicht hatte er jemandem von der guten Story erzählt, die er mir bieten wollte? Ich bezweifelte das zwar, aber … Seine Frau jedenfalls schien nichts zu wissen. Sie saß in Hamburg, und ihr Anwalt hatte alle Journalisten abgewimmelt. Ich drückte zwei Orangen aus, gab den Saft in die Sauce, ließ sie einmal aufwallen und rieb noch etwas Pfeffer darüber. Dann goss ich sie über die Entenbrust und schob die Schüssel für zehn Minuten ins Rohr. So blieb die Entenbrust innen noch schön rosa.
Ich schnitt Weißbrot auf. Es musste – wie überall – einige unzufriedene Mitarbeiter in Vogls Wahlbüro geben. Aber das Problem war, dass diese von nichts wussten, was wichtig war. Sie waren nett anzusehen, führten Befehle aus und erledigten den Kleinkram. Die Entscheidungen fielen in den holzgetäfelten Zimmern. Und ob ich dort jemand Unzufriedenen oder gar jemanden finden würde, der vermutete, dass da nicht alles mit rechten Dingen zuging … Vielleicht eine Sekretärin. Ich nahm das Brot, eine Flasche Rosato, ein passendes Glas und trug alles zum Tisch.
Und wie kam man an so jemanden heran? Offenheit, Transparenz. Eine Farce. Vorne, wo nichts entschieden wurde, war alles für alle offen. Ob die Polizei die Alibis des Wahlkampfstabes für die Mordnacht überprüft hatte? Danach würde ich Droch mit seinen guten Kontakten fragen. Vielleicht sollte ich mir selbst Kontakte zur Polizeidirektion aufbauen.
Ich legte die Entenbrust auf einen Teller, garnierte sie liebevoll mit zwei Orangenscheiben und gab mich jetzt ganz dem Essen hin. Lippe und Zunge waren weitgehend verheilt. Gismo hatte die Ente gerochen, starrte mich gelbäugig an, wusste, dass Betteln zwecklos war, sprang auf ein Bücherregal und warf eine gläserne Eule hinunter. Ich aß weiter. Ich hatte die Eule ohnehin nicht gemocht.
In den nächsten Tagen wurde mit wenig Appetit im politischen Brei gerührt. Die meisten wollten es nicht so genau wissen, und in den täglichen Statements, Darstellungen und Inszenierungen war der Mord an Schmidt nur ein Detail. Der Verdächtige hatte noch nicht gestanden. Man würde weiter berichten.
Meine Story fand in der Redaktion Anerkennung. Ich hatte vorsichtig, aber doch Verbindungslinien zum Tod von Bellini-Klein gezogen, über die beiden Gläser ohne Fingerabdrücke berichtet und mein Gespräch mit Schmidt zum Kernpunkt der Reportage gemacht. Vogls Tochter ließ ich wie versprochen draußen. Höhere Töchter waren nicht mein Fall, aber vielleicht konnte sie mir so noch nützlicher sein. Außerdem hätte sie ohnehin alles abgestritten. In einem Nebensatz wurde ich sogar in den TV-Nachrichten zitiert.
Droch hatte in seinem Kommentar wider Erwarten für Johanna Mahler Partei ergriffen und schrieb, wie sehr sie damit recht hatte, dass Mord in jedem Milieu vorkommen könne. Er frage sich nur, warum Mord in der Politik nicht viel häufiger vorkomme, zumal die meisten der Akteure sachlichen oder gar vernunftbetonten Argumenten nicht zugänglich seien. Vogl, so seine Analyse, werde an der ganzen Affäre nicht Schaden nehmen. Er sei der Liebling der Mütter, der Schwarm in die Jahre gekommener Töchter und der Traum enttäuschter Väter. Und warum? Wegen seiner Politik etwa? Wegen seines Lächelns und einer – zugegebenermaßen
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