Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
und … »Ich mach’ dich kalt, du Drecksack!«, hatte Franz K. gebrüllt. So jedenfalls stand es im Polizeiprotokoll. Franz K. hatte für die Tatzeit kein Alibi. Mehr noch, er war in der Nähe des Tatorts gesehen worden. Allerdings konnte man ihn fast jeden Abend in dieser Gegend sehen. Das Messer war ein schön gearbeitetes Filetiermesser amerikanischer Herkunft. Es wurde in Österreich nicht verkauft, sehr wohl aber in mehreren europäischen Städten. Auf dem Messer hatte man bloß Schmidts Fingerabdrücke gefunden. Und die waren ganz verwischt. Er hatte offenbar versucht, sich das Messer aus der Brust zu ziehen. Ich erfuhr davon von Droch, als ich gerade mit einem Bündel Abendzeitungen zu meinem Schreibtisch kam. Droch hatte es von seinem Informanten bei der Polizei.
Der Zeitpunkt der Festnahme war für die meisten Tageszeitungen zu spät gewesen. Ihre Stories beschäftigten sich mit der zwiespältigen Biografie von Schmidt und mit der Tatsache, dass er Vogl gecoacht hatte. In einigen Artikeln wurde darauf hingewiesen, dass Schmidt freilich auch andere beraten habe: etwa den Aufsichtsratsvorsitzenden eines großen Möbelkonzerns, zwei, drei andere Politiker, einen Versicherungsdirektor mit unbestimmten Ambitionen und einen Wurstfabrikanten, der in die Politik einsteigen wollte. Einiger Raum wurde den Angriffen von Johanna Mahler eingeräumt, mehr noch der empörten Replik von Vogls Wahlkampfleiter.
In den Kommentaren wurde in erster Linie gefordert, sich endlich mit Sachpolitik und weniger mit obskuren Vorwürfen zu beschäftigen. Zwei oder drei Kolumnisten aus der rechten Boulevardecke bezeichneten alle Politiker als Gauner und fragten, was Schmidt denn Vogl hätte beibringen sollen.
Vogl konnte zufrieden sein. Die Dossiers hatten voll eingeschlagen. Geschichten über Promis und das Rotlichtmilieu wurden gerne gelesen und dementsprechend gerne geschrieben. Der saubere, offen lächelnde Wolfgang A. Vogl aber war vom Rotlichtmilieu so weit entfernt, dass nicht einmal die größten Schmutzfinken unter den Journalisten einen direkten Zusammenhang herstellen wollten.
Ich wartete die Fernsehnachrichten ab. Die Verhaftung von Franz K. war die erste Meldung. Danach kam ein Bericht über die Auseinandersetzung zwischen Vogl und Mahler. Mahler wurde als Angreiferin präsentiert, Vogls Wahlkampfchef entrüstete sich über solche Schmutzkübelkampagnen und plädierte für einen anderen Stil in der Politik.
Als die Werbung lief, rief Wessely an. »Mafia pur«, sagte er, »ist das nicht ein Wahnsinn, wie das Fernsehen für Vogl arbeitet?«
»Sie hat das alles gesagt«, erwiderte ich.
»Sie ist nicht eben sehr geschickt, das gebe ich schon zu. Sie ist eben keine Politikerin. Und Profitum …«
»Ich dachte, ihr wolltet das so?«
»Das ist etwas anderes. Ich stehe zu ihr, hundertprozentig, auch wenn sie es uns nicht immer leicht macht.«
»Ich dachte, es war die Fernsehstation?«
»Natürlich ist es nicht …«
»Ich fand es auch nicht in Ordnung.«
»Ich habe herumtelefoniert, man hat so seine Kontakte, und …«
»Offenbar nutzen sie nicht viel«, unterbrach ich ihn.
»Und wissen Sie, was ich erfahren habe? Dass der Fernsehredakteur privat den Ideen von Johanna Mahler sehr aufgeschlossen gegenüberstehe.«
»Privat …«
»Und dass man eben auf Objektivität achten müsse, denn privat seien die meisten für Johanna Mahler.«
»Aha.«
»Aha? Werden wenigstens Sie weitermachen?«
»Ich mache, was ich mache.«
»Was?«
»Gute Nacht.« Ich legte auf. Wessely konnte einen dazu bringen, Vogl und seinen Wahlkampf einfach aus der netten menschlichen Perspektive zu betrachten. Der Mord? Geklärt. Bellini-Klein? Selbstmord, arme Vogl-Tochter. Der Überfall? Handtaschenräuber. Vogl? Ein Politiker eben. Erfolgreich. Mahler? Keine Politikerin. Andere wollten, sie wäre erfolgreich.
Zeit heimzugehen. Ich hatte viel Schlaf nachzuholen.
[ 7 ]
Ich lag in meiner Hängematte auf dem Balkon, schwebte mehr oder weniger über Wien und dachte nach. Die Sonne schien mir ins Gesicht, es war Nachmittag. Ich hatte bis Mittag geschlafen und war dann in Ruhe einkaufen gegangen. Nach einem Telefonat mit Droch wusste ich, dass es nichts Neues gab.
Theorien ließen sich eine Menge finden. Fakten aber gab es wenige. Und einige der Fakten würde ich nicht schreiben. Was sollte es, wenn ich publik machte, dass Schmidt sich gerne mit mir getroffen hätte? Mir würde es nur eine Menge Schwierigkeiten bringen. Mit dem Chefredakteur
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