Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
– »Aber da hätten Sie doch sofort merken müssen …« – und mit der Polizei. Und vielleicht auch noch mit anderen. Aber es war nicht die Angst, die mich davon abhielt, oder doch? Die Vogl-Leute wussten ohnehin schon davon.
Ich schloss die Augen. Ich hatte so gut wie nichts in der Hand. Einige Details, die Droch und ich in der Mordnacht und danach recherchiert hatten. Aber das meiste stand bereits in dem Dossier. Ich war sicher, dass dieses Dossier nicht an einem Tag zusammengetragen worden war. Und schon gar nicht an dem Tag, an dem die Polizei hinter jeder einzelnen Information im Rotlichtmilieu her war. Das bedeutete, dass Orsolics oder Chloe Fischer oder beide Schmidt schon vorher nachspioniert hatten. Um eine Begründung für den Rausschmiss zu finden, hätte es jedoch längst nicht aller Details bedurft. Hatte man Schmidt mit diesen Unterlagen erpressen wollen? Wenn ja, hatte die Erpressung stattgefunden? Aber normalerweise starb nicht das Opfer einer Erpressung, sondern der Erpresser. Es wäre gut, das mit Droch durchzusprechen. Aber der hatte anderes zu tun. Und ich wollte auch nicht den Eindruck vertiefen, dass ich bloß von Drochs Gnaden mit der Story betraut worden war. Meine Geschichte musste gut werden, aber noch hatte ich nicht viel mehr als die Tageszeitungen. Nicht einmal die Würstelfrau hatte einem Interview zugestimmt.
Ich schaukelte vorsichtig hin und her. Wahrscheinlich wäre es besser, heute Abend an etwas anderes zu denken. An … Aber eines war schon unbegreiflich: Kaum einer der Journalisten oder Journalistinnen hatte den Mord an Schmidt mit dem Tod von Bellini-Klein in Verbindung gebracht. Und auch mein Chefredakteur reagierte auf diese Vermutung allergisch. Zumindest solange es keine Fakten gab. Fakten … Aber welche? Schmidt hatte sich mit mir treffen wollen. Es musste um eine Sache gegangen sein, die mit dem Wahlkampf zusammenhing. Aber als ich ihn nach Bellini-Klein gefragt hatte, hatte er das als Unsinn abgetan. Von einer »guten Story« hatte er geredet. Wenn ich mich bloß an den Wortlaut erinnern könnte. Allerdings hätte er im Wahlkampfbüro den Zusammenhang mit der Bellini-Klein-Sache auch aus Sicherheitsgründen leugnen können.
Wer hatte gesehen und gehört, dass er mit mir gesprochen hatte? War das der Auslöser für den Mord gewesen? Viele der jungen Mitarbeiter waren im Hauptquartier gewesen. Der Wichtigtuer, der von Schmidt verscheucht worden war, wusste von unserem Gespräch. Solche Typen schieden wohl aus. Chloe Fischer war im Büro, aber nicht zu sehen gewesen. Schmidt hatte aufgeregt ausgesehen, als er aus den hinteren Räumen gekommen war. Hatte es einen Streit gegeben? Orsolics war mit dem Pressesprecher und dem Adjutanten gemeinsam mit Vogl außer Haus gewesen. Oder war es Schmidt um eine ganz andere Story gegangen? Aber warum war er dann so rot im Gesicht gewesen?
Ich sah, wie in den Wohnungen rundum die Lichter angingen. Ich hätte mich gerne mit Droch getroffen. Aber es wäre mir peinlich gewesen, wenn er abgesagt hätte. Ich hätte gerne für ihn gekocht. Aber daraus würde wohl nie etwas werden. Wie sollte man Droch die drei Stockwerke heraufbringen?
Vielleicht würde ich doch mein Gespräch mit Schmidt beschreiben und sehen, was dann passieren würde. Vielleicht brauchte es eine Provokation, damit die Sache in Bewegung kam.
Das Telefon läutete. Ich ließ es läuten. Als es zum fünften Mal im Abstand von zehn Minuten läutete, wuchtete ich mich aus der Hängematte. Mir war ohnehin kalt geworden. Es war Wessely. Der Mann ging mir auf die Nerven. »Wir haben herausgefunden, dass der junge Mann, der aus dem Hintergrund diese bösartige Frage gestellt hat, dem Vogl-Büro angehört. Ist das nicht unglaublich?«
»Ja«, erwiderte ich. Warum sollte ich ihm erzählen, dass er in der Gruppe »Gegnerbeobachtung« arbeitete? Ich war keine von ihnen. Ich war Redakteurin. Objektiv, sozusagen. Wessely bot an, mir die Langfassung der Presseerklärung von Johanna Mahler und die im Fernsehen gesendete Version zu schicken. Der Vergleich sei eindrucksvoll. Glatte Manipulation. Ich erinnerte ihn daran, dass ich die Pressekonferenz miterlebt hatte, und lehnte ab.
»Es war Manipulation«, wiederholte Wessely, »wir werden beim Rundfunkrat klagen.«
»Es ist eben ein Insiderspiel«, sagte ich, und mir kam vor, als sei ich schon seit Jahrzehnten in diesem Geschäft. Zu lange jedenfalls.
In den Abendzeitungen, verkündete Wessely dumpf, sei der Mord an Schmidt schon
Weitere Kostenlose Bücher