Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Leute zählt, dass ich für Vogl gearbeitet habe.«
Ich nickte.
Ich hörte Orsolics, bevor ich ihn sah. Er gab den Empfangsdamen lautstarke Anweisungen und kam dann mit einem breiten Lächeln auf mich zu. Allein was da zusammengelächelt wurde, war verdächtig.
Zehn Minuten später saß ich gemeinsam mit dem Pressesprecher bei der Buchhalterin. Ich erfuhr erst jetzt, wie viele Hinterzimmer es gab. Nicht nur die teuren, getäfelten, sondern auch ganz normale weißgetünchte Büroräume. Buchhaltung, Sekretariate, Werbeabteilung, Poststelle. Irgendjemand musste doch etwas wissen – wenn es etwas zu wissen gab. Und nicht jedem konnte dieser Betrieb gefallen. Das Aufregendste, was die Buchhalterin zu bieten hatte, war ein ausführlicher Bericht, wie ihr Vogl schon viermal die Hand gedrückt habe.
Nächste Station: Schreibstube. Der Pressesprecher war mehr als überrascht, dass ich dorthin wollte. Als ob er vermutet hätte, dass Stenotypistinnen zwar flott schreiben, nicht aber reden könnten. In der Schreibstube waren zwei Computerarbeitsplätze eingerichtet, wir fanden aber nur eine Mitarbeiterin vor. Sie war etwas über 40 und hätte sich im Vogl-T-Shirt weniger attraktiv gemacht. Dazu kam, dass sie nicht bereit zu sein schien, dauernd zu lächeln. Sie habe in der Parteizentrale gearbeitet und sei für die Dauer des Wahlkampfes hier eingesetzt. Als Leihgabe sozusagen. Ihre Kollegin habe bloß einen Halbtagsjob und komme immer vormittags, weil am Nachmittag ihr Kind zu betreuen sei. Deswegen sei sie auch arbeitslos gewesen. Ob ihre Kollegin für ihre Arbeit auch Geld bekomme, fragte ich, und der Pressesprecher zog warnend die Augenbrauen hoch. Die Schreibkraft schaute vom Pressesprecher zu mir und dann wieder zum Pressesprecher. »Das weiß ich nicht. Ich jedenfalls kriege mein Gehalt von der Partei weiter. Auch wenn es nicht viel ist.«
Als ich wieder im Hauptquartier stand, waren die meisten schicken Vorzeigemenschen schon zu diversen Vogl-Veranstaltungen ausgeflogen. Ich setzte mich in die Medienecke mit den Tageszeitungen, der aktuellen Pressemappe und einem Videorekorder, neben dem die ständig wachsende Reihe von Videokassetten mit Vogl-Auftritten stand. Ich gab vor zu lesen. Ich wollte warten, bis die Schreibkraft das Haus verließ. Egal, wie lange das dauern würde. Sie hatte nicht wirklich zufrieden gewirkt. Ich schaltete die Stehlampe nicht an, und die Deckenbeleuchtung war nicht übertrieben hell. Ohne die Neonröhren der Schreibtischbeleuchtungen war der riesige Raum in ein schummriges Halbdunkel getaucht. Nur im hinteren Teil des Hauptquartiers arbeiteten noch zwei junge Frauen, deren Stimmen nicht bis zu mir herüberdrangen. Ich hörte bloß leises Gemurmel und wurde angenehm schläfrig. Ich konnte die Schreibkraft auch morgen abpassen. Auf einen Tag mehr oder weniger kam es nicht an.
Dann Schritte im Foyer. Zwei Männer schlenderten herein. Beide trugen dunkles Hemd, Jeans und Turnschuhe. Ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. »Finster ist es hier«, sagte der eine und drehte den Neonbalken einer Schreibtischlampe an. Das Licht fiel genau auf seine rechte Hand. Am Mittelfinger hatte er einen tiefen, gerade erst verheilenden Kratzer. Die beiden hatten mich nicht gesehen, und so sollte es auch bleiben. Ihrem Gespräch war zu entnehmen, dass sie auf Orsolics warteten. Sie sollten mit ihm zu einer Backstage-Party fahren, zu der auch Vogl stoßen würde. Ihre Stimmen … Ich versuchte mich zu konzentrieren, ob die Schläger etwas gesagt hatten. Nein. Ich erinnerte mich nur an die Schläge und daran, wie mein Kopf gegen den Boden gekracht war.
Die beiden Männer unterhielten sich über die zwei Austropopper, die gerade ihr Konzert gaben, und dass sie es gerne miterlebt hätten.
Ich traute mich nicht einmal, richtig durchzuatmen. War das ein weiterer dummer Zufall? Und wenn nicht, wer hätte einen Kratzer als Beweis akzeptiert? Aber die Hand war das einzige, was ich mir bei dem Überfall eingeprägt hatte. Die Hand war gerade voll im Licht der Schreibtischlampe gewesen. Vielleicht war sein Blut auf meinen Kleidern gewesen. Verdammt, ich hatte alles zur Schmutzwäsche gesteckt. Was tun, wenn die beiden mich hier sitzen sahen? Solange ich hierblieb, war ich sicher. Vorne war noch eine Telefonistin, und hinten arbeiteten noch die Schreibkraft und Orsolics. Orsolics. Er musste den Auftrag gegeben haben. Oder drehte ich jetzt vollkommen durch?
Der eine spielte mit einem Feuerzeug. »Komm«, sagte der
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