Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
nach Schmidts Ermordung habe ich den ganzen Text nach Fischers Anweisungen bearbeitet. Sie hat das ganze Konvolut mit mir durchkorrigiert. Und dann ist es kopiert worden.«
»Wer hat das Band besprochen?«
»Na, die Fischer.«
Die Schreibkraft schien Chloe Fischer nicht zu mögen. »Sie denkt, ich bin zu dumm, um das, was ich abschreibe, zu begreifen. Bin ich aber nicht. Ich habe mich gewundert, warum sie Schmidt nicht sofort hinausgeworfen haben. Orsolics ist in Ordnung, zumindest halbwegs. Sie versucht die ganze Zeit, ihn auszustechen. Und sie schafft dauernd an. Er ist zu gutmütig.«
Ich nickte. Die Parteifraktion. Aber die Schläger waren von Orsolics gekommen.
»Wusste Orsolics von dem Dossier über Schmidt?«
Die Schreibkraft zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, jedenfalls hat er mich nie um einschlägige Schreibarbeiten gebeten.«
Ich plauderte mit der Frau noch über eine Menge unwichtiger Details ihrer Arbeit und bat sie dann, das Gespräch als genauso vertraulich zu betrachten, wie ich es tun würde. »Wir haben uns gegenseitig in der Hand«, sagte ich ernst, und die Schreibkraft nickte. Ich hoffte, dass ich mich nicht zu weit vorgewagt hatte.
Droch war noch auf. Ich bekam plötzlich Angst und wollte ihm am Handy nichts erzählen. »Droch«, sagte ich und verstummte. Sie hatten Macht und Einfluss. Droch sagte knapp: »Nehmen Sie sich ein Taxi, und kommen Sie her. Sofort.«
Ich saß in einem Korbstuhl auf Drochs Terrasse. Drochs Haus war eines dieser spießigen Reihenhäuser für solche, die immer gerne ein Haus gehabt hätten, bei denen es aber nie dazu gereicht hatte. Also mussten die kleinen Gärten besonders exakt gepflegt, das Laub täglich zusammengerecht und alle lauten Geräusche unterdrückt werden. Laute Töne gab es nur, wenn man Nachbarn über die straff gezogenen Maschenzäune hinweg begrüßte.
»Es hat keine Stufen«, sagte Droch.
Er hatte ruhig abgewartet, bis ich mich für den späten Überfall entschuldigt und mich gesetzt hatte. Er hatte uns zwei Gespritzte zubereitet und die Wein- und die Sodawasserflasche gleich mitgebracht.
Jetzt schwiegen wir. Ich wusste nicht, wo ich beginnen sollte. »Kann uns jemand hören?«, fragte ich. Droch schüttelte den Kopf, und ich fing an zu erzählen. Ich hatte Angst gehabt, Droch würde mir nicht glauben. Doch dem war nicht so.
»Aber es sind keine Mörder. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, sind die beiden keine Mörder«, meinte Droch beruhigend. Ich seufzte. Ließ sich das wirklich so einfach sagen?
»Ich erinnere mich an ein Erlebnis vor mehr als 20 Jahren«, sagte Droch und sah mich von der Seite an. »Ein junger Mann war einem Landespolitiker treu ergeben. Das kommt im Umfeld der vermeintlichen oder realen Macht von Politikern immer wieder vor. Diener, die alles tun, was ihr Herr will. Eine Hundementalität. Eine Mischung aus Dankbarkeit, Dummheit und Machtstreben. Meist überwiegt die Dummheit. Jedenfalls gab es damals Gerüchte, der Politiker sei in einen Korruptionsskandal verwickelt. Ob da etwas dran war, weiß ich bis heute nicht. Eher nicht. Sein dummer Adlatus hat drei Männern, die diesen Politiker öffentlich verdächtigt haben, das Haus angezündet. Eine Frau wäre fast verbrannt. Als die Brandstiftung durch einen Zufall aufgeflogen ist, hat sich der Idiot damit verteidigt, dass er den Denunzianten bloß einen Schreck einjagen wollte. Der Politiker musste gehen. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.«
»Sie meinen, Orsolics weiß gar nichts davon?«
»Ich meine, er muss es nicht unbedingt wissen. Diener neigen zu vorauseilendem Gehorsam. Um ihren Herrn zu schützen, handeln sie unter Umständen auch selbstständig. So etwas ist in der Politik ein weitverbreitetes Phänomen. Und: Nicht wenige dieser Diener steigen auf und halten sich dann selbst Diener. Was bleibt, ist die Mentalität.«
Wir schwiegen eine Zeit lang. Nur mehr in einem der Reihenhäuser brannte Licht.
»Wo ist Ihre Frau?«, fragte ich.
»Heute hat sie ihren Damenabend, eine Kartenrunde. Sie wird bald kommen.«
Wieder Schweigen. Im Halbdunkel sah die Reihenhaussiedlung weniger uniform aus, als sie es war.
»Wird Ihnen kühl?«, fragte Droch.
»Wissen Sie auch nicht weiter?«, fragte ich.
Mit tiefer Stimme antwortete Droch: »Nein.«
Da fuhr ein Wagen in die Einfahrt: Drochs Frau war heimgekommen.
Am nächsten Tag war ich wieder in der Wahlkampfzentrale, mit der mir zugeteilten Fotografin, die noch einige Bilder für meine Story über die
Weitere Kostenlose Bücher