Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
guten – Inszenierung. Verkauf ohne Inhalt. Der Präsident als Mogelpackung mit großer Masche.
Schlau, dachte ich. Sollte sich herausstellen, dass die Todesfälle mit dem Wahlkampf zu tun hatten, dann hatte Droch es schon immer gesagt. Ich wusste nicht, was ich geschrieben hätte.
Die ersten Tage nach Erscheinen meiner Story hatte ich darauf geachtet, nie alleine unterwegs zu sein. Wenn niemand anderer da war, begleitete mich Vesna Krajner. Bloß ein Kriminalbeamter schien sich für meine Recherchen zu interessieren, allerdings auch nicht übermäßig. Ich machte meine Aussage. Das dauerte fünf Minuten. Mehr war nicht. Ich hatte gehofft, im Gegenzug von ihm etwas zu erfahren. Er war jedoch total korrekt und hundertprozentig verschlossen.
Weder Droch noch mir oder Wessely gelang es, etwas Neues ans Tageslicht zu bringen. Und langsam fragte ich mich, ob ich nicht der allgemeinen Aufgeregtheit der Wahlkampfmaschinerie auf den Leim gegangen war. Zufälle gab es eben. Und das mindeste, was auf meine letzte Story hätte folgen müssen, wäre ein Drohbrief gewesen. Aber es kam keiner.
Ich würde mich weiter um die menschlichen Seiten des Wahlkampfes kümmern. Die Idee, den vielen freiwilligen Helfern und kleinen Mitarbeiterinnen des Vogl-Wahlkampfes näherzukommen, hatte ich noch nicht aufgegeben. Vielleicht würde ich im Zuge meiner Bemühungen mit der einen oder anderen Sekretärin aus der Massivholzabteilung reden können.
Vogl war offensichtlich froh, dass die Wahlkampfroutine wieder ihren Lauf nahm. Dieses Geschäft kannte er. Lächelnd stand er am offenen Kamin eines Wiener Stadtpalais. »Kamingespräche mit Freunden«, hieß es auf der Einladung. Ein Gutteil der Mitglieder seines Prominentenkomitees hatte sich eingefunden. Im Hintergrund wartete ein Büffet – qualitätvoll, aber nicht übertrieben aufwändig: Brötchen mit Prosciutto und Lachs, Jourgebäck und pikant gefüllte Blätterteigstücke. Und natürlich waren auch einige auserwählte Medienleute anwesend. Zum größten Teil Chefredakteure und einige, mit denen Vogl schon seit Jahren gut zusammenarbeitete. Und ich. Offenbar ging man davon aus, es sei strategisch besser, mich zu den Freunden zu zählen. Ob ich dadurch zur Freundin wurde?
Die Idee der Inszenierung war, dass keine Reden gehalten, keine Diskussionen im großen Rahmen geführt wurden. Es ging um den persönlichen Kontakt. Chefredakteure konnten menschlich daran Anteil nehmen, wenn Vogl mit dem Finanzdirektor der Beste-Bank über die Leitzinsen und das Guggenheim-Museum plauderte. Und sie durften natürlich darüber berichten. Offenheit auch hier. Selbstverständlich. Unter Freunden.
Adjutant Miller stand mit zwei kleinen weißhaarigen Männern zusammen. Der eine war ein Versicherungsdirektor, den ich von diversen Ereignissen der sogenannten Gesellschaft kannte. Der andere, so flüsterte mir Orsolics zu, war ein pensionierter Verfassungsrichter. Ich stand etwas abseits und lauschte ihrem Gespräch. Eine Zeit lang war mir nicht klar, ob sich ihr Gespräch auf den Wahlkampf und die Abwehr von Gegnern oder auf Militärisches bezog. Da beugte sich Adjudant Miller interessiert zu den beiden hinunter, und sie versicherten ihm temperamentvoll, wie wichtig die Abschreckung durch Nuklearwaffen sei. Also doch nichts, was unmittelbar mit dem Wahlkampf zu tun zu haben schien. Ich wechselte meinen Standort und lehnte mich an eine klassizistische Säule.
Ein Publizistikprofessor – überall anzutreffen, wo es auch Journalisten gab – tuschelte mit der Inhaberin eines noblen Trachtenmodengeschäftes über das Gerücht, Adjutant Miller sei von der CIA. Sein Name sei echt, man habe ihn nämlich zu ändern vergessen. Die CIA sei eben auch nicht mehr das, was sie einmal war. »Er hat eine gute Uniformfigur, aber er ist langweilig«, konstatierte die Ladenbesitzerin. »Das ist vielleicht Absicht«, erwiderte der Publizistikprofessor.
Menschliches im Wahlkampf – also näher hin zum Kandidaten. Nordenberg, der alternde, aber beliebte Schauspieler, der nicht nur auf der Bühne so maßlos outrierte, dass er für eine Persönlichkeit gehalten wurde, fragte Vogl nach einer Reihe von politischen Entscheidungen, von denen dieser keine Ahnung zu haben schien. Nordenberg war der Sprecher von Vogls Prominentenkomitee und hatte seine Entscheidung, sich aktiv für die Wahl Vogls einzusetzen, damit begründet, dass es sich um »nichts Politisches, sondern um etwas Persönliches« handle. Das war mir selbst damals
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