Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Kleinigkeiten für das Heim. Kristallgläser, eine schöne Teekanne, Kerzenständer. Dass sie beim Wahlkampf führend dabei sei, mache ihn stolz. Wolfgang A. Vogl genieße sein volles Vertrauen. Er sei ein Sozialdemokrat und ein Mann der Wirtschaft. Das sei kein Widerspruch, sondern für verantwortlich denkende und erfolgreiche Politiker die Verbindung der Zukunft. Er wisse, dass er sich auf Vogl verlassen könne. Immerhin habe er mit ihm schon während seiner Zeit im Energiekonzern hervorragend zusammengearbeitet. Damals sei er Vogls Finanzdirektor gewesen.
Ich war froh, dass er nicht länger für mich Zeit hatte. Irgendwie bekam ich neben diesem Kunstprodukt keine Luft. Ich schaltete mein Aufnahmegerät aus, bedankte mich und ging.
Von Johanna Mahlers Wahlkampfbüro bekam ich einige hübsche Fotos, die einen alten, von der Hitze vertrockneten Mann mit Tropenhelm bei irgendwelchen Ausgrabungen zeigten. Die Story wurde mitgeliefert.
Orsolics’ Frau wehrte sich, von mir daheim besucht zu werden. Es gebe eine Vereinbarung, und die besage, keine Medienleute in ihrem Haus. Mir schien das überraschend vernünftig. Man kam überein, sich in drei Tagen im Wahlkampfbüro zu treffen. Fotos würde es vor der Schule geben, in der Frau Orsolics als Volksschullehrerin arbeitete. Ob sie von den Schlägern ihres Mannes wusste?
Das Wochenende verbrachte ich zum Großteil in der Hängematte. Ich las zwei Kriminalromane, die nichts mit meinem realen Leben zu tun hatten. Einer spielte in der Südsee, der andere in Stockholm. Ich spielte mit Gismo und bezahlte das mit einigen Kratzern am linken Arm. Ich lud Vesna und ihre wieder gesunden Kinder in eine Pizzeria ein. Ich sah am Abend fern und hatte ausnahmsweise keine Lust zu kochen. Am Sonntag Nachmittag fiel die Temperatur um zehn Grad, und es war Herbst.
Frau Orsolics entpuppte sich als erstaunlich sympathische Person in meinem Alter. Sie versuchte nicht, mir ein idyllisches Bild zu vermitteln. Eigene Freunde und Freundinnen, eigene Interessen seien wichtig. Und Respekt vor dem Job des anderen. War der Auftrag an die beiden Schläger doch von jemand anderem gekommen? Oder prügelten sie zum Zeitvertreib?
Nach dem Termin ging ich durch das Foyer der blitzsauberen Wahlkampfzentrale und grüßte die Empfangsdame. Hinter mir kam eine andere Frau aus dem Großraumbüro, die ich vor einer halben Stunde mit Chloe Fischer hatte reden sehen. »Auf Wiedersehen, Frau Schmidt«, sagte die Empfangsdame. Jetzt wusste ich, woher ich das Gesicht kannte. Es war die Witwe von Georg Schmidt. Ihr Bild war in allen Medien gewesen, sie selbst hatte jedoch jedes Gespräch verweigert. Frau Schmidt trug eine Ledermappe und strebte rasch dem Ausgang zu. Einige Stufen vor der Türe blieb ich stehen, drehte mich um und sagte: »Frau Schmidt?« Die Frau sah mich mit großen Augen an. Sie wirkte nicht gerade glücklich. Okay, ihr Mann war gestorben, aber nach all dem, was ich über Schmidt wusste, war das gerade für sie nicht zum Verzweifeln.
»Ich bin Mira Valensky. Und ich kannte Ihren Mann. Können wir miteinander reden? Vertraulich?«
Noch hatte Schmidts Witwe keinen Ton gesagt. Sie schaute mich nur an. Sie musste vor zehn Jahren sehr hübsch gewesen sein. Jetzt war ihr Gesicht aufgedunsen, die Figur plump.
»Ich weiß nicht«, sagte sie mit norddeutschem Akzent.
Wenige Minuten später saß ich mit ihr in dem Kaffeehaus, in dem ich auch mit der Schreibkraft gewesen war. Ich erzählte Frau Schmidt, was ich über den Tod ihres Mannes und die Vorgeschichte des Mordes wusste. Zwei Tatsachen verschwieg ich: dass ich für ein Magazin arbeitete, und das Detail mit den Huren.
Frau Schmidt hielt mich offenbar für eine Wahlkampfmitarbeiterin. »Ich habe alles gelesen«, sagte sie, »Sie brauchen mich nicht zu schonen. Außerdem habe ich alles gewusst.«
Ich sah sie an.
»Er hat es mir an den Kopf geschleudert, dass ich alt und fett geworden bin, und was er in Wien getrieben hat. Und ich sage Ihnen: Es war mir bald egal. Er wollte sich von mir nicht scheiden lassen, weil er ja auch diese Christdemokraten gecoacht hat. Und so bin ich in einem Teil unseres Hauses wohnen geblieben, und er hat im anderen Teil gewohnt. Er hat mich geheiratet, bevor ich meine Ausbildung fertig hatte. Damals habe ich nebenbei als Hostess auf Messen gearbeitet. Und er hat Verkaufsveranstaltungen inszeniert. Was sollte ich also tun? Nur mit dem Geld war es oft schwer mit ihm.«
»Er hat Ihnen kein Geld gegeben?«
»Doch, aber
Weitere Kostenlose Bücher