Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
verabschiedet sich.« Das alles sagte er mit einem gleichförmigen Lächeln.
Den Inhalt hatte Vogl erst nach einer Schrecksekunde registriert. »Gute Besserung«, erwiderte er. Die perfekte Antwort, aufgezeichnet von drei Kamerateams und einigen Printjournalisten.
Hofer ging zu seinem Auto zurück, der Chauffeur öffnete ihm die Tür. Hofer stieg ein, und sie fuhren ab. Vogl hatte sich inzwischen gefangen. Er schüttelte traurig den Kopf. »Armer Minister Hofer.« Und schon wieder strahlend, verkündete er: »Zwei Dinge sind für jeden Politiker wichtig: zu wissen, wann man im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gehen muss, und zu wissen, wann die Zeit reif ist, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger alles zu geben. Meine Zeit ist reif – meine Zeit, alles zu geben.« Die Vogl-T-Shirt-Träger in seiner Umgebung klatschten. Man widmete sich wieder dem Wein und politischem Smalltalk.
»Zwei Tote im Gepäck«, zischte ich Droch ins Ohr. »Wir müssen mit Hofer reden.«
»Du hast doch selbst gesagt, dass er verrückt ist.«
»Aber …«
»Er konnte davon überall lesen und zwei und zwei zusammenzählen. Vogl ist sein politischer Todfeind.«
Der Tross brach auf, für weitere Diskussionen war keine Zeit. Wir durften den Anschluss nicht verpassen. Es ging nach Graz zum Abendprogramm.
Bei 165 Stundenkilometern sagte ich: »Hofer ist der Mörder. Du hast selbst gesagt, er ist Vogls Todfeind. Er hat die beiden auf dem Gewissen. Deswegen konnte er auch gar nicht anders, als auf die zwei Toten im Gepäck hinzuweisen. Es muss für ihn unerträglich gewesen sein, dass das Thema so rasch von der Tagesordnung verschwunden ist.«
»Mira«, sagte Droch.
»Es passt alles zusammen: Er vernichtet Vogl, indem er dafür sorgt, dass Mitarbeiter seines Wahlkampfteams sterben. Ihn treibt der Hass. Ihn beobachtet niemand. Er kommt und geht von seinem südsteirischen Dorf.«
»Und die beiden Schläger?«
»Er kann sie erpresst haben. Sie sind wahrscheinlich vorbestraft oder kommen zumindest aus einem einschlägigen Milieu.«
»Der Vater des einen ist Abgeordneter.«
»Eben.«
»Der Vater des anderen ist Arbeiter, wenn dir das lieber ist.«
»Du kannst mich nicht ablenken. Die beiden haben Dreck am Stecken, das haben sie mir gegenüber eindeutig zugegeben. Hofer kann sie erpresst haben. Das wäre ja das Geniale: Die Burschen von Orsolics schlagen zu. Kommt das heraus, sitzt Orsolics mit in der Tinte. Kommt es nicht heraus, hat man eine Journalistin dadurch auf die falsche Fährte gelockt.«
»Mit dir geht die Fantasie durch.«
»Glaubst du, dass die Konservativen dazu nicht in der Lage sind? Im Gegenteil, sage ich dir. Sie stehen auf Waffen, sie sind gewaltbereiter, dieses ganze Law-and-order-Gequatsche steigt ihnen zu Kopf. Sie wollen für Ordnung sorgen.«
»Jetzt hör aber auf. Law and Order. Wäre dir Anarchie lieber?«
»Es gibt etwas dazwischen.«
»Was?«
»Du kannst mich nicht davon abbringen. Auch wenn du es nicht glauben willst: Es waren die Konservativen.«
»Alle Politiker sind Mörder, was? Wenn, war es Hofer und nicht die ganze Partei.«
»Zugegeben. Aber seine Partei würde davon profitieren. Glaube nicht, dass ich in den letzten Wochen nichts gelernt hätte. Politik ist nicht so schwierig zu durchschauen. Die Konservativen haben keinen eigenen Kandidaten. Gewinnt Vogl, haben sie mitgewonnen, weil sie zur Schau stellen können, dass sie Vogl für gut gehalten haben, deswegen keinen Gegenkandidaten aufgestellt und ihm so zum Sieg verholfen haben. Erleidet er einen Absturz, ist es noch besser für sie: Dann hat es Vogl trotz ihres fairen Stillschweigens nicht geschafft – eine totale Niederlage für die Sozialdemokraten.«
»Und dass sie momentan politisch kaum präsent sind, wie schätzt die Expertin das ein?«
»Das ist vielleicht für ein paar Journalisten ein Problem, aber nicht für die Leute. Die sind dankbar. Das ist das Beste, was sie tun können: sich zurückhalten und warten, bis die anderen Mist bauen. Oder auch etwas nachhelfen, damit sie Mist bauen.«
»Dann wird es Zeit, deine Theorie den Polizeibehörden mitzuteilen. Denn du wirst ja nicht selbst Ordnung schaffen wollen.«
»Du bist nur sauer, weil es deine Konservativen sind.«
Droch blieb ruhig. »Es sind nicht ›meine‹ Konservativen. Ich bin bloß kein Romantiker.«
»Verdammt, aber es ist eine gute Theorie.«
Wir fuhren in Graz ein und bezogen unsere Hotelzimmer. Droch hatte mir versprochen, nach dem offiziellen
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