Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
ich fand Politik um nichts spannender als am Tag davor. Eines hatte ich allerdings gelernt: Die körperlichen Herausforderungen waren beachtlich.
Danach präsentierten zwei der jungen Teammitglieder Vogl eine neue Idee. Nahezu schüchtern traten die beiden ein. Zehn Minuten später war der junge Mann als Projektleiter eingesetzt. Vogl bot ihm das Du an, und der Mitarbeiter begann tatsächlich zu stottern. Die junge Frau presste die Lippen zusammen.
Als sie bemerkte, dass ich sie beobachtete, verzog sie ihren Mund zu einem strahlenden Lächeln. Eine einzige glückliche Familie.
Als ich zwischen europäischer Agrarpolitik und Euro-Stabilität auf die Toilette verschwand, vernahm ich im Gang zum Hauptquartier gereizte Stimmen. Man war bemüht, nicht zu schreien.
»Es geht Sie nichts an, sage ich Ihnen. Absolut nichts! Sie wollten mitarbeiten. Wenn Sie es nicht mehr wollen, bitte.« Das war Chloe Fischer. Noch war ich außer Sichtweite.
Die zweite Stimme zischte zurück: »Das wird nicht durchgehen. Das nicht. Ich habe es mit Bellini-Klein vereinbart. Und ich lasse mir so etwas nicht gefallen, ich bin auch etwas wert. Und ich lasse es nicht zu, dass meine Ideen geklaut werden. Ich will mit Vogl sprechen. Sofort!«
»Das werden Sie nicht. Sie haben mit ihm schon gesprochen. Sie werden jetzt gehen.«
»Bellini-Klein …«
»Bellini-Klein steht uns nicht mehr zur Verfügung.«
»Alle werden es erfahren. Sie können nicht alle eliminieren, die Ihnen nicht passen.«
»Bellini-Klein ist gegangen.«
»Er hat Sie nicht ausgehalten.«
»Seien Sie ruhig.«
»Ich bin nicht ruhig. So kann man mit Freiwilligen nicht umgehen.«
Ich hörte von hinten Schritte, ging weiter, trat ins Gesichtsfeld der beiden, und beide lächelten wie auf ein Signal. Chloes Opfer war die junge Frau mit den blauen Augen, der Vogl den jungen Mann vorgezogen hatte. Sie gaben den Weg zur WC-Türe frei. Chloe Fischer ging in ihr Büro, die Blauäugige zurück ins Hauptquartier. Schon wieder dieser Bellini-Klein. Also war doch nicht alles Wonne und Waschtrog.
Im etwas düsteren Besprechungszimmer wurden die neuen Umfragewerte präsentiert. »Volle Transparenz«, raunte Orsolics mir ins Ohr. Warum auch nicht, es gab nichts zu verbergen. Im Gegenteil, ich war inzwischen davon überzeugt, dass mehr nach außen gekehrt werden sollte, als überhaupt da war. Das dunkle Holz und der lange Tisch mit seiner dunkelgrünen Auflage schienen den Großteil des Lichts zu schlucken. Wolfgang A. Vogl saß an einer Schmalseite des Tisches. Aufmerksam beobachtete ich Chloe Fischer zu seiner Rechten. Sie leitete die Sitzung. Chloe Fischer sprach über die bisherigen Daten. Links von Vogl nahm Orsolics Platz. Er sah aus dem Fenster und gab deutlich zu verstehen, dass die Fakten für ihn nicht neu waren. Einige Mitglieder des Wahlkampfstabes schrieben mit. Der Platz an der zweiten Schmalseite des Tisches blieb leer. Der offizielle Wahlkampfleiter hatte sich entschuldigen lassen. Der ehemalige Nationalbankdirektor war der einzige Kompromiss zwischen den verschiedenen Vogl unterstützenden Menschen gewesen. Kein Parteibuch, keine parteipolitischen Äußerungen, kein persönlicher Ehrgeiz. Er ging am liebsten fischen. Offenbar auch heute.
Ich saß etwas abseits vom Besprechungstisch in einem tiefen Polstersessel mit Armlehnen. Mein Fotograf fotografierte. Ich schloss die Augen und musste etwas eingenickt sein.
»Und ich habe gerade angeordnet, dass die Kappen noch heute geliefert werden müssen.« Das war Orsolics.
»Sie sind noch nicht da?«, fragte Chloe Fischer ungeduldig.
»Nein.«
Chloe Fischer seufzte. »Aber wir brauchen sie heute im Tiergarten. Alle jungen Leute sollten sie tragen und sogar ein Bär und einige Affen und …«
»Ist das nicht etwas übertrieben?«
»Werbung ist meine Sache«, sagte Chloe Fischer kurz angebunden.
»Aber PR ist meine Sache«, erwiderte Johannes Orsolics.
Chloe Fischer zischte und verdrehte die Augen in meine Richtung.
Eine jüngere Frau mischte sich ein. »Bellini-Klein hat angerufen und der Firma gesagt, dass es mit den Kappen noch Zeit habe und es unter Umständen noch Änderungen geben würde.«
»Wann?«, fragten Orsolics und Fischer gleichzeitig.
»Gestern, vorgestern …«
»Nicht heute?«
»Nein, sicher nicht heute.«
Orsolics und Fischer schienen sich auf einmal wieder prächtig zu verstehen. Man würde eine Lösung finden.
Dann endlich präsentierte ein junger Mann mit dicker Hornbrille die jüngsten
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