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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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mir.
    Mir war der Ton inzwischen egal. »Du sollst gehen. Du behinderst uns nur. Ich wollte, dass du die Polizei …«
    »Glaubst du ernsthaft, ich würde jemanden finden, der einen solchen Unsinn ernst nimmt?«
    »Unsinn?«
    »Egal, die von der Polizei würden es für Unsinn halten.«
    »Bitte geh.«
    »Schon vergessen? Das kann ich nicht.«
    »Hau ab.«
    »Ich bleibe. Wenn jemand mit einem Koffer aus dem Haus kommt, rufe ich meinen Freund an. Er hat Dienst, das habe ich geklärt. Aber vorher …«
    Vesna schob ihr Motorrad um die Ecke. Diesmal stellte sie es näher bei der Einfahrt ab. »Wir werden sie kriegen«, sagte sie und zeigte ihr Messer.
    Droch stöhnte. »Das darf nicht wahr sein.«
    »Ich bin eine praktische Frau.«
    »Ja, praktisch tot.«
    »Jetzt hör aber auf.«
    »Ich halte ja schon den Mund.« Drochs Gemurmel hörte sich nach »überspannte Weiber« an.
    »Du sitzt ja selbst da.« Das war ich.
    Die nächste Stunde verging zäh. Minute um Minute sah ich auf die Uhr. Heute brannte noch in einigen Zimmern des Wahlkampfbüros Licht. Auch im Hauptquartier war es hell. Einige Schreibtischbeleuchtungen mussten noch aufgedreht sein. Nichts Ungewöhnliches, es war nicht ganz elf. Die Passanten, die an der Vorderseite des Hauses vorbeigingen, wurden immer weniger. Irgendwann ging wieder die Kinotür auf. Diesmal spielte man keinen Western, sondern einen meiner Lieblingsfilme. »High Society«: wunderbare Lieder, witzige Handlung, weit weg von der Realität. »I give to you and you give to me, true love, true love. For you and i have a guarding angel on earth with nothing to do. Just to …« Ich lehnte meinen Kopf an die Hausmauer, zu zittern hatte ich längst aufgehört. Was tat ich da? Kino war schöner, viel schöner. Meine Beine schmerzten. Droch sah starr geradeaus, Vesna schien der Melodie zu lauschen. Romantikerinnen am Reality-Trip. Lasst uns heimgehen, hätte ich am liebsten gesagt.
    Die Lichter im Hauptquartier erloschen, und eine Minute später flog die Türe des Haupteinganges der Wahlkampfzentrale auf. Wir konnten muntere Stimmen hören. Ich lief einige Schritte nach vor, immer entlang an der Hauswand. Leise. Wie gut, dass ich kaum jemals Schuhe mit Absätzen trug. Es waren Vogl-T-Shirt-Mitarbeiter, die sich schwatzend in die andere Richtung entfernten. Einige trugen eine Tasche oder einen Rucksack. Unwahrscheinlich, dass sie etwas mit dem Geld zu tun hatten. Ich huschte zurück. »Leute vom Hauptquartier«, zischte ich Droch und Vesna zu.
    Jetzt gingen auch im hinteren Bürotrakt Lichter aus. Die Schreibkraft trat gemeinsam mit zwei anderen Frauen durch den Hintereingang ins Freie. Keine von ihnen trug eine große Tasche. Der Putztrupp begann zu arbeiten: Licht an, Licht aus, Zimmer für Zimmer. Orsolics’ Zimmer war finster. Noch einmal das Stiegenhaus zu betreten hätte weder ich noch Vesna gewagt. »Gehen wir schlafen«, sagte ich.
    »Wir warten noch«, erwiderte Droch überraschend, »ich glaube, ich habe einen Schatten gesehen.«
    »Putzfrauen«, sagte Vesna.
    »Nein, beim Eckfenster.«
    »Im Hauptquartier?«
    »Ich habe etwas gesehen, aber ich kann mich auch täuschen. Warten wir.«
    Eine Viertelstunde verging. Droch sah den Schatten kein zweites Mal. Ich hatte keine Angst mehr. Das ewige Warten war zu langweilig, als dass ich mich hätte fürchten können. Der Film, dessen Tonfetzen zu uns herüberklangen, strebte dem Ende zu. Turbulenzen, Versöhnung und schließlich die Hochzeit mit dem anderen Mann, dem richtigen. True Love. Im hinteren Stiegenhaus ging das Licht an. Ich packte Droch am Arm. Der Mann von gestern trat aus der Türe. Er trug eine Sporttasche und sah sich um. Dann ging er in Richtung Straßenkreuzung. Seine Schuhe waren heute geräuschlos.
    »Ruf deinen Freund an«, zischte ich.
    Droch wählte bereits.
    Der Mann hatte die Kreuzung erreicht. Vesna schlich zu ihrem Motorrad. Ich folgte dem Mann und hielt mich eng an die Hausmauer. Was sollte ich mit Droch tun? Ich sah zurück. Droch scheuchte mich mit einer Handbewegung weg. Die Fürsorge seiner Frau ging ihm auf die Nerven. Er konnte selbst für sich sorgen. Hoffentlich.
    Der Mann überquerte die Kreuzung. Auf der anderen Seite lag eine U-Bahn-Station. Er würde doch nicht … Er ging zur U-Bahn. Mit den Millionen in die U-Bahn? Ich drehte mich um. Droch hatte alles mitbekommen und deutete mir, dem Mann zu folgen. Natürlich. Das war keine Station, wo man in verschiedenste Richtungen verschwinden konnte. Es gab lediglich

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