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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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zwei Ausgänge. Wenn, konnte er also nur wieder auf der anderen Seite herauskommen. Wir verständigten uns mit einer Geste, Vesna lief zur anderen Stiege, und wir hetzten nach unten.
    Da stand er und wartete auf die U-Bahn. Nervös sah er sich um. Ich konnte gerade noch in Deckung gehen. Ich kannte den Mann. Verdammt, ich kannte ihn. Wer war er? Ich hatte ihn schon einmal gesehen, in ganz anderer Umgebung. Ich ging im Geiste alle Bankleute durch, die ich kannte. Verbrecher kamen mir selten unter, zumindest keine amtsbekannten. Wer war er? Zum Glück warteten am Bahnsteig einige Leute. Vesna musste an ihm vorbei, er schien ihr kein Interesse beizumessen. »Er hat dich nicht erkannt«, sagte ich.
    »Ich habe kein Kopftuch auf, ich sehe nicht wie eine Putzfrau aus.«
    »Jetzt weiß ich, wer er ist«, flüsterte ich, »der Adjutant. Man kennt ihn nur in Uniform. Deswegen. Es ist Vogls Adjutant. Wir müssen Droch …«
    Ein Zug näherte sich. Der Adjutant in Zivil sah sich noch einmal um und stieg ein. Vesna und ich sprangen in den Waggon, der dem Stiegenaufgang am nächsten war. Er könnte mich erkennen. Er durfte mich nicht sehen. Er war einen Wagen hinter uns. Aufpassen. Nächste Station. Eine ältere Dame mit zu roten Lippen stieg aus. Auch sie sah sich auffällig oft um. Sie hatte keine Tasche bei sich. Gründe, sich umzusehen, gab es viele. Drei Burschen verließen den Waggon. Wir hätten ihn aussteigen sehen. Er fuhr weiter.
    Wir durften es jetzt nicht vermasseln.
    »Westbahnhof, die Schließfächer«, rief ich. Jetzt sah auch ich mich um. Vor Schreck, dass ich zu laut geredet hatte. Niemand beachtete uns. Zwei Frauen mit gefärbten Haaren stierten müde vor sich hin. Ein Mann mit einem kleinen Kind blickte aus dem Fenster, als ob dort irgendetwas außer Mauer wäre. Weiter hinten standen drei Amerikanerinnen, unverkennbar, mit riesigen Rucksäcken. Schon etwas kalt zum Trampen.
    Wenn wir Droch erreichen könnten … In der U-Bahn ging das Handy nicht. Droch musste seinen Freund zum Westbahnhof bringen. Achtung, die nächste Station. Angestrengt sahen wir nach draußen. Vesna hatte die Türe geöffnet, um auch an dieser Station den vollen Überblick zu haben. Zwei Sandler torkelten zu einer Bank. Ein elegantes Paar stieg aus, sie wirkten, als hätten sie seit Jahren nicht mehr miteinander gelacht. Mit Droch konnte man gut lachen. Lachen. Der Adjutant fuhr weiter. Bei der nächsten Station würde sich herausstellen, ob meine Theorie richtig war. Wie verfolgte man jemanden in einer fast leeren Bahnhofshalle? Jemanden, der einen kannte und der – zumindest teilweise – gewarnt war. Er würde nicht schießen. Nicht im Bahnhof. Er hatte sicher eine Waffe. Im Bahnhof waren wir sicher. Dort gab es zumindest ein paar Menschen. Was, wenn er uns auf Abstellgeleise lockte? Wie weit durften wir ihm folgen? Ich drehte meine langen Haare zusammen, fand in der Tasche ein paar Haarnadeln und steckte die Haare hoch. Ich bemalte mir die Lippen viel zu stark mit Lippenstift und merkte, dass meine Hand zitterte. Dann zog ich meinen wadenlangen dehnbaren Rock so weit hinauf, dass er zum Supermini wurde. Eigentlich hatte ich zu dicke Knie dafür. Auch egal. Vielleicht würde das veränderte Aussehen helfen.
    Station Westbahnhof. Der Adjutant verließ rasch den Wagen. Er sah sich wieder um. Hinter ihm gingen drei Jugendliche, die einen ziemlichen Lärm machten. Megacool. Vesna und ich warteten bis zum letzten Moment und sprangen dann auf den Bahnsteig. Vesna ging vor. Ich wiegte mich beim Gehen in den Hüften und schlenderte langsam zur Rolltreppe. Wenn er genau hinsah, würde er mich erkennen. Wenn nicht … Ich hatte eine Chance. Die Rolltreppe führte lang und steil nach oben. Vesna stand rund 15 Stufen vor mir. Ganz oben, fast schon am Ende der Rolltreppe, war er mit seiner Tasche. Vielleicht wurde er erwartet. Wo waren am Westbahnhof die Schließfächer?
    Beinahe hätte ich Vesna übersehen. Sie hatte sich in eine Ecke neben einem Fast-food-Lokal gedrückt. Vergilbte Reklame für eine Semmel mit einem Wienerschnitzel, das wie Plastik aussah. Der Adjutant durchquerte die große Halle, blieb stehen und blickte auf die blauen Hinweistafeln. Konnte es sein, dass auch er nicht wusste, wo die Schließfächer waren? Ein Ablenkungsmanöver war wahrscheinlicher. Ich war außer Atem, als wäre ich den ganzen Weg von der Wahlkampfzentrale zum Westbahnhof gesprintet. Zwei Männer kehrten mit überbreiten Besen die Halle. Zehn, 15 Menschen,

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