Wahn - Duma Key
Halsentzündung wahrscheinlich nur selbst diagnostizierter Quatsch. Ich erklärte ihr, ich sei von ihrem hochherzigen Mitgefühl überwältigt, und sie lachte.
Als ich ihr erzählte, dass ich meine Arbeiten wahrscheinlich in einer Galerie in Sarasota ausstellen würde, kreischte sie so laut, dass ich den Hörer vom Ohr weghalten musste.
»Daddy, das ist wundervoll! Wann? Darf ich kommen?«
»Klar, wenn du möchtest«, sagte ich. »Ich werde alle einladen.« Eigentlich hatte ich diesen Entschluss noch gar nicht endgültig gefasst, bis ich hörte, wie ich ihn ihr erzählte. »Wir denken an Mitte April.«
»Scheiße! Gerade da wollte ich den Hummingbirds nachreisen.« Sie machte eine Pause. Überlegte. »Ich kann beides miteinander kombinieren. Zu einer eigenen kleinen Tournee.«
»Glaubst du?«
»Ja. Sag mir nur das Datum, und ich werde da sein .«
Hinter meinen Lidern brannten Tränen. Ich weiß nicht, wie es ist, Söhne zu haben, aber es kann nicht so lohnend - auf so einfache Weise nett - sein, wie Töchter zu haben. »Das weiß ich zu würdigen, Schatz. Glaubst du... hältst du’s für möglich, dass deine Schwester auch kommen würde?«
»Weißt du was? Ich glaube, sie täte es«, sagte Ilse. »Sie wird unbedingt sehen wollen, was Kunstkenner so aufregend finden. Wird deine Ausstellung auch besprochen?«
»Mein Freund Wireman ist davon überzeugt. Der einarmige Künstler und so weiter.«
»Aber du bist einfach gut , Daddy!«
Ich bedankte mich, dann kam ich auf Carson Jones zu sprechen. Fragte, was sie so von ihm gehört habe.
»Ihm geht’s gut«, sagte sie.
»Wirklich?«
»Klar - warum?«
»Ich weiß nicht, ich dachte nur, ich hätte eine kleine Wolke in deiner Stimme gehört.«
Sie lachte reumütig. »Du kennst mich zu gut. Tatsächlich gibt’s bei jedem ihrer Auftritte nur noch Stehplätze - ihr Ruf eilt ihnen voraus. Die Tournee sollte am fünfzehnten Mai enden, weil vier der Sänger andere Verpflichtungen haben, aber der Agent hat drei neue gefunden. Und Bridget Andreisson, die ein richtiger Star geworden ist, hat erreicht, dass sie ihr Vikariat in Arizona später antreten darf. Was ein Glück ist.« Ihre Stimme wurde um einen halben Ton tiefer, als sie das sagte, und war jetzt die Stimme einer erwachsenen Frau, die ich nicht kannte. »Statt Mitte Mai zu enden, ist die Tournee jetzt bis Ende Juni verlängert worden - mit Auftritten im Mittleren Westen und einem Abschlusskonzert im Cow Palace in San Francisco. Echt große Klasse, was?« Das war mein Ausdruck gewesen, wenn Illy und Lin als kleine Mädchen in der Garage ihre »Ballett-Supershows« aufgeführt hatten, aber ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals in diesem betrübten, nicht ganz sarkastischen Ton gebraucht zu haben.
»Machst du dir Sorgen wegen deinem Typen und dieser Bridget?«
»Nein!«, sagte sie sofort und lachte. »Er sagt, dass sie eine großartige Stimme hat und er sich glücklich schätzen darf, mit ihr zu singen - sie haben jetzt zwei Songs statt nur einem -, aber sie ist seicht und eingebildet. Und er wünscht sich, sie würde ein paar Pfefferminzdrops einwerfen, bevor er, du weißt schon, sich das Mikrofon mit ihr teilen muss.«
Ich wartete.
»Okay«, sagte Ilse schließlich.
»Okay was?«
»Okay, ich mache mir Sorgen.« Eine Pause. »Ein paar, weil er jeden Tag im Bus und jeden Abend auf der Bühne mit ihr zusammen ist - und ich hier bin.« Eine weitere, längere Pause. Dann: »Und er klingt nicht wie früher, wenn ich mit ihm telefoniere. Zwar beinahe... aber nicht ganz.«
»Vielleicht bildest du dir das nur ein.«
»Ja. Vielleicht tue ich das. Und jedenfalls: Sollte sich da was abspielen - was es nicht tut, das weiß ich bestimmt -, aber falls doch , dann lieber jetzt, als nachdem... … du weißt schon, nachdem wir...«
»Ja«, sagte ich und fand, das war so erwachsen, dass es schmerzte. Ich erinnerte mich daran, wie ich auf das Foto gestoßen war, das sie mit umeinandergelegten Armen an einem Verkaufsstand am Straßenrand zeigte, und es mit meiner fehlenden rechten Hand berührt hatte. Und wie ich dann mit Reba zwischen Körper und Armstumpf geklemmt ins Litte Pink hinaufgehastet war. Das schien sehr lange zurückzuliegen. Ich liebe dich, Punkin!, hatte »Smiley« geschrieben, aber die Zeichnung, die ich an jenem Tag mit meinen Venus-Buntstiften (auch sie schienen lange zurückzuliegen) angefertigt hatte, hatte die Vorstellung von ewiger Liebe irgendwie verspottet: das kleine Mädchen, das in seinem
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