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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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erweisen.«
    »Wireman, du bist ein zynischer Bastard.«
    Dies fasste er als das Kompliment auf, das es in gewisser Weise war. Er winkte großmütig nickend ab. »Ich fungiere als dein Anwalt. Du wählst die Bilder aus; Nannuzzi berät. Nannuzzi arrangiert die Ausstellung; du berätst. Klingt das ungefähr richtig?«
    »Ich denke schon, ja. Wenn es so gemacht wird.«
    »So wird es diesmal gemacht. Und, Edgar - last, but not least -, wirst du alle anrufen, an denen dir etwas liegt, und sie zu deiner Ausstellung einladen.«
    »Aber...«
    »Ja«, sagte er nickend. »Alle. Deinen Seelendoktor, deine Ex, beide Töchter, diesen Tom Riley, die Frau, die für deine Reha zuständig war...«
    »Kathi Green«, sagte ich gedankenverloren. »Wireman, Tom kommt nicht. Auf gar keinen Fall. Pam auch nicht. Und Lin ist in Frankreich. Mit einer Halsentzündung , um Himmels willen.«
    Wireman achtete nicht auf mich. »Du hast einen Anwalt erwähnt...«
    »William Bozeman der Dritte. Bozie.«
    »Lad ihn ein. Oh, natürlich auch deine Eltern. Deine Geschwister.«
    »Meine Eltern sind lange tot, und ich war ein Einzelkind. Bozie...« Ich nickte. »Bozie würde kommen. Aber nenn ihn nicht so, Wireman. Nicht in seiner Gegenwart.«
    »Einen anderen Anwalt Bozie nennen? Hältst du mich für blöd?« Er überlegte. »Ich hab mich in den Kopf geschossen und es nicht mal geschafft, mich umzubringen - spar dir also lieber die Antwort.«
    Ich hörte kaum zu, weil ich nachdachte. Zum ersten Mal begriff ich, dass ich eine Coming-out-Party für mein anderes Leben geben konnte... und dass vielleicht wirklich Leute kommen würden . Diese Vorstellung war aufregend und beängstigend zugleich.
    »Vielleicht kommen sie alle , weißt du«, sagte er. »Deine Ex, deine globetrottende Tochter und dein selbstmörderisch veranlagter Buchhalter. Stell dir das vor - eine Horde von Michiganern.«
    »Minnesotanern.«
    Er zuckte mit den Schultern und warf die Hände hoch, um zu zeigen, dass ihm das alles gleich war. Ziemlich hochnäsig für einen Kerl aus Nebraska.
    »Ich könnte ein Flugzeug chartern«, sagte ich. »Eine Gulfstream. Eine ganze Etage im Ritz-Carlton nehmen. Klotzig Geld ausgeben. Warum zum Teufel nicht?«
    »Genau«, sagte er und kicherte boshaft. »Mal richtig den hungernden Künstler geben.«
    »Jau«, sagte ich. »Ein Schild ins Fenster stellen: ARBEITE FÜR TRÜFFELN. «
    Dann mussten wir beide lachen.
     
     
     
     
     
     
    IX Als unsere Gläser und Teller im Geschirrspüler standen, nahm ich ihn wieder mit nach oben, aber nur lange genug, um mit der Digitalkamera ein halbes Dutzend Fotos von ihm zu machen - große, harmlose Nahaufnahmen. Ich habe in meinem Leben ein paar gute Fotos gemacht, aber immer nur zufällig. Ich hasse Kameras, und die Kameras scheinen das zu wissen. Als ich fertig war, erklärte ich ihm, er könne heimgehen und Annmarie ablösen. Draußen war es inzwischen dunkel, und ich bot ihm meinen Malibu an.
    »Ich geh zu Fuß. Die Luft wird mir guttun.« Dann zeigte er auf die Leinwand. »Darf ich es mir ansehen?«
    »Eigentlich lieber nicht.«
    Ich dachte, er würde protestieren, aber er nickte nur und ging, trabte fast die Treppe hinunter. In seinem Schritt lag neuer Elan - das bildete ich mir keineswegs nur ein. An der Haustür sagte er: »Ruf Nannuzzi morgen früh an. Schmiede das Eisen, solange es heiß ist.«
    »Wird gemacht. Und ruf mich an, falls sich irgendwas ändert...« Ich deutete mit meiner farbklecksigen Hand auf sein Gesicht.
    Er grinste. »Du erfährst es als Erster. Vorläufig bin ich schon damit zufrieden, keine Kopfschmerzen mehr zu haben.« Das Grinsen verblasste. »Weißt du sicher, dass sie nicht zurückkommen?«
    »Ich weiß nichts sicher.«
    »Klar. Natürlich, das ist die condition humaine , nicht wahr? Aber danke, dass du’s versuchst.« Und bevor ich wusste, was er tun wollte, ergriff er meine Hand und küsste den Handrücken. Ein sanfter Kuss trotz der Bartstoppeln auf seiner Oberlippe. Dann sagte er adiós und verschwand in die Nacht, und die einzigen Geräusche waren das Seufzen des Golfs und die flüsternden Gespräche der Muscheln unter dem Haus. Dann hörte ich einen anderen Laut. Das Telefon klingelte.
     
     
     
     
     
     
    X Die Anruferin war Ilse, die mit mir plaudern wollte. Ja, ihr Studium kam gut voran, ja, ihr ging es gut - tatsächlich sogar großartig -, ja, sie rief ihre Mutter einmal in der Woche an und hielt per E-Mail Verbindung zu Lin. Nach Ilses Meinung war Lins

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