Wahn - Duma Key
Muscheln nach oben strebten: blasse Gallerteklumpen mit grünen Haaren und Möwenaugen, die im Dunkel übereinanderkrochen und redeten, redeten, redeten. Ja! Weil sie viel nachzuholen hatten und keiner wusste, wann das nächste Gewitter kommen und sie erneut zum Leben erwecken würde.
Trotzdem malte ich weiter. Das tat ich voller Entsetzen und trotz der Dunkelheit; mein Arm bewegte sich so auf und ab, dass ich den Sturm eine Zeit lang tatsächlich zu dirigieren schien. Und irgendwann war Wireman blickt nach Westen fertig. Das sagte mir mein rechter Arm. Ich setzte meine Initialen - EF - in die untere linke Ecke, dann zerbrach ich den Pinsel, wozu ich beide Hände benutzte. Die Stücke fielen zu Boden. Ich torkelte von meiner Staffelei weg und flehte laut darum, was immer mir zusetze, solle aufhören. Und das würde es sicher tun; das Gemälde war jetzt fertig, also würde es bestimmt aufhören.
Ich machte oben an der Treppe halt, blickte hinunter und sah unten zwei kleine triefend nasse Gestalten. Ich dachte: Apfel, Orange. Ich dachte: Ich gewinne, du gewinnst. Dann zuckte ein Blitz herab und zeigte mir zwei Mädchen von ungefähr sechs Jahren, bestimmt Zwillinge und bestimmt Elizabeth Eastlakes ertrunkene Schwestern. Sie trugen Kleider, die klatschnass an ihren Körpern klebten. Ihre bleichen Gesichter waren grausig anzusehen.
Ich wusste, woher sie kamen. Sie waren unter den Muscheln hervorgekrochen.
Sie machten sich Hand in Hand daran, die Treppe zu mir emporzusteigen. Eine Meile über mir explodierte Donner. Ich wollte schreien. Ich konnte nicht. Das siehst du nicht wirklich, sagte ich mir. Doch, das tust du, dachte ich.
»Ich schaffe das«, sagte eines der Mädchen. Es sprach mit der Stimme der Muscheln.
»Es war rot«, sagte das andere Mädchen. Es sprach mit der Stimme der Muscheln. Die beiden waren jetzt halb oben. Ihre Köpfe waren kaum mehr als Totenschädel, von deren Seiten nasse Haarsträhnen herabhingen.
»Setz dich auf den Freund «, sagten sie gemeinsam wie Mädchen, die einen Spruch zum Seilspringen aufsagen … aber sie sprachen mit der Stimme der Muscheln. »Hol den Kumpel her.«
Sie griffen mit schrecklichen Fischbauchfingern nach mir.
Ich brach oben an der Treppe ohnmächtig zusammen.
XX Das Telefon klingelte. Dies war mein Telefonwinter. Ich öffnete die Augen und tastete nach der Nachttischlampe, weil ich nach dem schlimmsten Albtraum meines Lebens gleich Licht haben wollte. Statt der Lampe berührten meine Finger eine Wand. Im selben Augenblick merkte ich, dass mein Kopf in eigenartiger, schmerzhaft abgewinkelter Haltung an dieser Wand lag. Donner grollte - aber schwach und mürrisch; dies war jetzt abziehender Donner -, und das genügte, um mir alles wieder schmerzlich und erschreckend klar ins Gedächtnis zurückzurufen. Ich war im Little Pink. Ich war ohnmächtig geworden, weil …
Ich riss die Augen weit auf. Mein Hintern lag am oberen Ende der Treppe, meine Beine hingen die Stufen hinab. Ich dachte an die beiden ertrunkenen Mädchen - nein, es war mehr, einen Augenblick lang hatte ich eine vollständige, glasklare Erinnerung - und schoss hoch, ohne meine schlimme Hüfte auch nur zu spüren. Meine gesamte Konzentration galt den drei Lichtschaltern oben an der Treppe, aber selbst als meine Finger sie fanden, dachte ich: Wird nicht funktionieren, der Sturm wird die Stromversorgung lahmgelegt haben.
Doch die Lampen flammten auf, verbannten die Dunkelheit aus Atelier und Treppenhaus. Ich erlebte eine Schrecksekunde, als ich Sand und Wasser am Fuß der Treppe sah, aber das Licht reichte weit genug hinunter, um mir zu zeigen, dass der Wind die Haustür aufgedrückt hatte.
Bestimmt war es der Wind, der sie aufgedrückt hatte.
Im Wohnzimmer hörte das Telefon zu klingeln auf, und der Anrufbeantworter meldete sich. Meine Tonbandstimme forderte den Anrufer auf, nach dem Piepton eine Nachricht zu hinterlassen. Der Anrufer war Wireman.
»Edgar, bist du da?« Ich war zu desorientiert, um beurteilen zu können, ob seine Stimme aufgeregt oder verzweifelt oder erschrocken klang. »Ruf mich an, du musst mich sofort anrufen!« Und dann ein Klicken.
Ich stieg die Treppe hinunter, indem ich wie ein Achtzigjähriger einen zögerlichen Schritt nach dem anderen machte, und schaltete als Erstes überall das Licht ein: Wohnzimmer, Küche, beide Schlafzimmer, Florida-Raum. Sogar in den beiden Toiletten machte ich Licht. Dazu griff ich in die Dunkelheit hinein und war auf einen
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