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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Punkt.
    Den Kern bildete eine Art Entfremdung. Ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll. Meine Frau erschien mir irgendwie... anders. Die meisten Leute in meinem Leben wirkten ebenfalls anders , und das Bestürzende daran war, dass mir das ziemlich egal war. In der ersten Zeit hatte ich mir einzureden versucht, das Anderssein, das ich empfand, wenn ich an meine Frau und mein Leben dachte, sei vermutlich ganz normal bei einem Mann, der manchmal nicht mal mehr wusste, wie das Ding hieß, das man hochzog, um seine Hose zu verschließen - Beißverschluss, Heißverschluss, Reißerdingsbums . Ich redete mir ein, das würde sich geben, und als das nicht passierte, sondern Pam mir sagte, dass sie sich scheiden lassen wolle, verwandelte sich meine Wut sogar in Erleichterung. Weil es jetzt in Ordnung war, dieses Anderssein zu empfinden, zumindest ihr gegenüber. Jetzt war sie wirklich anders. Sie hatte das Freemantle-Trikot ausgezogen und das Team verlassen.
    In meinen ersten Wochen auf Duma gestattete mir dieses Gefühl des Andersseins , mein Heil in Ausflüchten zu suchen. Briefe und E-Mails von Leuten wie Tom Riley, Kathi Green und William Bozeman III. - dem unsterblichen Bozie - beantwortete ich mit Kurzmitteilungen (mir geht’s gut, das Wetter ist schön, die Knochen wachsen zusammen) , die kaum etwas mit meinem tatsächlichen Leben zu tun hatten. Und als die Korrespondenz erst stockte und dann einschlief, tat mir das nicht leid.
    Nur Ilse schien noch in meinem Team zu sein. Nur sie weigerte sich, ihr Trikot abzugeben. In Bezug auf Ilse empfand ich dieses Anderssein nie. Ilse befand sich weiter auf meiner Seite der Glasscheibe und streckte mir ständig die Hand hin. Wenn ich ihr nicht jeden Tag eine E-Mail schrieb, rief sie an. Wenn ich nicht jeden dritten Tag selbst zum Telefonhörer griff, rief sie mich an. Und ihr erzählte ich keine Lügen über meine Pläne, im Golf zu angeln oder eine Tour durch die Everglades zu machen. Ilse erzählte ich die Wahrheit - oder so viel davon, wie ich konnte, ohne zu klingen, als wäre ich verrückt.
    Ich erzählte ihr beispielsweise von meinen Morgenspaziergängen am Strand und dass ich jeden Tag ein Stückchen weiter ging, aber nicht von dem Zahlenspiel, weil es zu blödsinnig klang... oder vielleicht ist »pathologisch zwanghaft« der Ausdruck, den ich eigentlich suche.
    An jenem ersten Morgen hatte ich mich nur achtunddreißig Schritte vom Big Pink entfernt. Am zweiten Tag stärkte ich mich mit einem großen Glas Orangensaft und marschierte wieder nach Süden den Strand entlang. Diesmal ging ich fünfundvierzig Schritte weit, was damals für mich ein elend langer Weg war, den ich ohne Krücke torkelnd zurücklegte. Ich schaffte ihn, weil ich mir einredete, ich würde nur neun Schritte machen. Dieser Taschenspielertrick ist die Grundlage des Zahlenspiels: Man macht erst einen Schritt, dann zwei, dann drei, dann vier und stellt seinen geistigen Schrittzähler jedes Mal auf null zurück, bis man bei neun anlangt. Und zählt man die Zahlen eins bis neun zusammen, erhält man fünfundvierzig. Sollten Sie das verrückt finden, werde ich nicht widersprechen.
    Am dritten Morgen schaffte ich es, vom Big Pink aus zehn Schritte ohne Krücke zu gehen - in Wirklichkeit fünfundfünfzig, was eine Rundreise von achtzig Metern ergab. Eine Woche später war ich bei siebzehn... und wenn man alle diese Zahlen zusammenzählt, kommt man auf hundertdreiundfünfzig. Sobald ich diese Entfernung erreicht hatte, sah ich mich nach dem Haus um und staunte darüber, wie fern es zu sein schien. Und mich befiel ein mulmiges Gefühl, wenn ich daran dachte, dass ich die ganze Strecke würde zurückgehen müssen.
    Das schaffst du, sagte ich mir . Nichts dabei. Bloß siebzehn Schritte, mehr nicht.
    Das sagte ich mir vor, Ilse erzählte ich nichts davon.
    Jeden Tag ging ich ein bisschen weiter und stampfte Fußabdrücke in den Sand. Etwa um die Zeit, als in der Beneva Road Mall, in die Jack Cantori mich manchmal zum Einkaufen fuhr, Santa Claus auftauchte, fiel mir etwas Erstaunliches auf: Alle meine nach Süden führenden Fußabdrücke waren deutlich. Der Fuß im rechten Sneaker begann erst auf dem Rückweg zu schlurfen.
    Training kann süchtig machen, und ich unterbrach meines auch nicht an Regentagen. Der erste Stock des Big Pink bestand aus einem einzigen Raum. Er war mit einem rosafarbenen Teppichboden in Industriequalität ausgelegt, und das riesige Panoramafenster führte auf den Golf von Mexiko

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