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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hinaus. Sonst gab es dort nichts. Jack Cantori hatte vorgeschlagen, ich solle eine Liste der Möbel aufstellen, die ich dort oben haben wollte; er würde sie von dem Möbelverleih bringen lassen, der schon die Sachen im Erdgeschoss geliefert hatte... wenn ich mit denen zufrieden war. Ich versicherte ihm, dass die Einrichtung in Ordnung war, aber im ersten Stock würde ich nicht viel brauchen. Mir gefiel die Leere dieses Raums. Sie appellierte an meine Fantasie. Ich wollte nur drei Dinge, erklärte ich ihm: einen einfachen Stuhl mit gerader Lehne, eine Künstlerstaffelei und ein Laufband von Cybex. Konnte Jack mir diese Dinge besorgen? Das konnte und tat er. Binnen drei Tagen. Von nun an bis zum Ende ging ich in den ersten Stock hinauf, um zu zeichnen oder zu malen, und an Schlechtwettertagen machte ich auch meine Gehübungen dort oben. Während meines Aufenthalts im Big Pink war der einfache Stuhl mit gerader Lehne das einzige wirkliche Möbel dort im ersten Stock.
    Allerdings waren Regentage nicht gerade häufig - Florida trägt nicht umsonst den Beinamen Sunshine State. Als meine Spaziergänge nach Süden länger wurden, lösten der oder die Punkte, die ich an jenem ersten Morgen gesehen hatte, sich in zwei Personen auf - zumindest waren es an den meisten Tagen zwei. Eine saß im Rollstuhl und schien einen breitkrempigen Strohhut zu tragen. Die andere schob sie und ließ sich dann neben ihr nieder. Diese beiden erschienen gegen sieben Uhr am Strand. Manchmal ließ die gehfähige Person die im Rollstuhl für kurze Zeit allein und kam dann mit etwas zurück, das in der Morgensonne glitzerte. Ich tippte auf eine Thermoskanne, ein Tablett oder beides. Außerdem vermutete ich, dass sie aus der riesigen Hazienda mit dem weitläufigen orangeroten Ziegeldach kamen. Sie war das letzte auf Duma Key sichtbare Haus, bevor die Straße in der wild wuchernden Vegetation verschwand, die fast die ganze Insel bedeckte.
     
     
     
     
     
     
    IV Ich konnte mich nicht recht an die Leere meiner Umgebung gewöhnen. »Dort soll’s sehr ruhig sein«, hatte Sandy Smith mir erklärt, trotzdem hatte ich mir vorgestellt, dass gegen Mittag am Strand reges Treiben herrschen würde: Paare, die sich auf Decken sonnten und einander mit Sonnenlotion eincremten, Studenten, die mit am Bizeps befestigten iPods Volleyball spielten, und Kleinkinder, die in sackartigen Badeanzügen in Strandnähe paddelten, während fünfzehn Meter weit draußen Jetskis hin und her surrten.
    Jack erinnerte mich daran, dass wir erst Dezember hatten. »Was den Tourismus in Florida betrifft«, sagte er, »ist der Monat zwischen Thanksgiving und Weihnachten tote Hose. Nicht ganz so schlimm wie der August, aber doch ziemlich tot. Außerdem...« Er machte eine weit ausholende Armbewegung. Wir standen draußen am Briefkasten mit der roten 13 darauf, ich auf meine Krücke gestützt, Jack sportlich in abgeschnittenen Jeans und einem modisch zerschlissenen T-Shirt der Tampa Devil Rays. »Das hier ist nicht gerade eine Touristengegend. Siehst du irgendwo Wasserrutschen, Alligatorfarmen oder zahme Delfine? Hier gibt’s nur sieben Häuser, wenn man das große dort drüben mitzählt... und den Dschungel. In dem übrigens noch ein verfallendes Haus steht. Jedenfalls wenn man den Geschichten glauben kann, die ich auf Casey Key gehört habe.«
    »Was ist mit Duma los , Jack? Neun Meilen Immobiliengrundstücke in bester Lage, ein großartiger Strand, und trotzdem ist die Insel nie erschlossen worden? Wie kommt das?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass es einen schon ewig dauernden Rechtsstreit geben soll. Soll ich versuchen, Näheres rauszukriegen?«
    Ich dachte darüber nach, dann schüttelte ich den Kopf.
    »Stört dich das nicht?« Jack wirkte ehrlich neugierig. »Die viele Ruhe? Mir würde sie ein bisschen auf die Nerven gehen, wenn ich ganz ehrlich sein soll.«
    »Nein«, sagte ich, »überhaupt nicht.« Und das war die Wahrheit. Heilung ist eine Art Revolte, und wie ich meiner Erinnerung nach schon gesagt habe, beginnen alle siegreichen Revolten im Geheimen.
    »Was machst du so? Wenn ich mal fragen darf?«
    »Morgens trainiere ich. Lese. Nachmittags schlafe ich. Und ich zeichne. Irgendwann will ich es mit Malen versuchen, aber so weit bin ich noch nicht.«
    »Für einen Amateur sehen manche deiner Sachen ziemlich gut aus.«
    »Danke, Jack, sehr freundlich von dir.«
    Ich wusste nicht, ob er nur freundlich war oder mir seine Version der Wahrheit sagte.Vielleicht

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