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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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zulässige und hier sogar gebotene gegenseitige Amtshilfe. Doch was geschieht? Die Vorgesetzten untersagen den Steuerfahndern die Zusammenarbeit.
    Sanktionen
    Anfang November 2001 trägt der Sachgebietsleiter und Bankenkoordinator Pisch seine Einwände gegen die erwähnte Amtsverfügung dem Finanzamtsvorsteher schriftlich vor. Daraufhin wird er zum Oberfinanzpräsidenten Albrecht Pfister zitiert. Tage später hat er einen neuen Arbeitsplatz, er wird nach Darmstadt zwangsversetzt. Als sich der Personalrat in einem Schreiben an Finanzminister Karlheinz Weimar gegen die Abstrafung des Bankenkoordinators einsetzt, lässt Weimar durch seinen Staatssekretär ablehnend mitteilen: Pisch habe das Vertrauensverhältnis mit der Amtsleitung beeinträchtigt.
    Der sehr tüchtige Amtsrat Schmenger erhält seine dienstliche Beurteilung – zu seiner Überraschung ist sie erstmals negativ. In einem Schreiben der Staatsanwaltschaft hingegen wurde Schmenger belobigt. Gegen ihn, der weiterhin gegen die Amtsverfügung Einwendungen erhebt, werden schließlich disziplinäre Vorermittlungen eingeleitet. Zudem versetzt man ihn in ein anderes Finanzamt. Er ist tief schockiert. Nunmehr darf er ausschließlich Fälle bearbeiten, bei denen das Ergebnis von vornherein feststeht: Fälle, bei denen aufgrund von Verlusten keine Steuer anfällt, sogenannte Nullfälle. Für ihn, der hoch qualifiziert ist, der bislang bei Großfällen Millionen an Steuern hereinholte, ist das eine schwere Demütigung. Er ist total frustriert.
    Auch die Ermittlungen der anderen Steuerfahnder werden blockiert. Ministerialbeamte von Weimars Finanzministerium fahren von Wiesbaden nach Frankfurt und stellen gegenüber den Sachgebietsleitern der Steuerfahndung klar, dass die Bankenverfahren aufgrund der Amtsverfügung gelöst seien. Alle noch offenen Verfahren müssten bis Ende 2002 abgeschlossen sein.
    Eskalation
    Am 26 . Juni 2003 unterschreiben 48 Steuerfahnder einen Brief an Ministerpräsident Roland Koch und an Finanzminister Karlheinz Weimar – ein gleichsam verzweifelter Hilferuf. Von dem konservativen Landesvater, der Mitglied einer Partei ist, zu deren Grundprinzipien »Law and Order« gehört, erhoffen sie Verständnis. Sie beklagen, aufgrund der ergangenen Anordnungen drohten erhebliche Steuerausfälle, weil sehr viele Steuerhinterzieher nicht verfolgt werden könnten. Wenn sie deswegen rechtliche Bedenken vorbrächten, riskierten sie, abgelöst oder versetzt zu werden. Und zwar selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft die Bedenken teile. Sie seien haltlosen Vorwürfen und willkürlichen Maßnahmen ausgesetzt.
    Durch eine Indiskretion wird der Brief bekannt, bevor er abgeschickt wird. Daraufhin werden die Unterzeichner, wie verlautet, von ihren Vorgesetzten massiv unter Druck gesetzt. Aus Angst ziehen die meisten die bereits geleistete Unterschrift zurück. Die wenigen Beamten, die standhaft bleiben, müssen die Steuerfahndung verlassen. Das Bankenteam wird zerschlagen, die Steuerfahndung beim Finanzamt Frankfurt V wird aufgelöst, die Beamten werden auf drei andere Finanzämter verteilt.
    Am 11 . August 2003 berichtet der Spiegel unter dem Titel »Amnestie durch die Hintertür« über die skandalöse geheime Amtsverfügung, durch die »wohlhabende Steuerhinterzieher geschützt, andererseits sich zu Recht dagegenstellende Beamte kaltgestellt würden«. Finanzminister Weimar streitet im Haushaltsausschuss des Landtags alles ab. Unter der Überschrift »Oase Frankfurt« beschuldigt daraufhin der Spiegel am 25 . September 2003 den Finanzminister, er habe im Landtag teils Fakten verschwiegen, teils die Unwahrheit gesagt. Der Spiegel belegt das mit Beispielen.
    Ein Untersuchungsausschuss
    Die SPD -Opposition beantragt nunmehr einen Untersuchungsausschuss. Der Landtag beschließt seine Einsetzung. Außerdem reichen sechs der kujonierten Steuerfahnder eine Petition beim Hessischen Landtag ein. Roland Koch erklärt vor dem Landtag: »Es gibt keinen Skandal.«
    Gegen die Stimmen der SPD beschließt der Untersuchungsausschuss, nur zwei der Steuerfahnder als Zeugen zu hören. Einer davon ist Wolfgang Schad. Er ist nicht nur Steuerbeamter, sondern auch Präsident des Hessischen Leichtathletikverbands. Und nun passiert Ungeheuerliches: Kurz vor seiner Vernehmung wird Schad ins Finanzministerium geladen. Dort bietet ihm Mario Vittoria, der Leiter der Personalabteilung, eine neue Stellung in dem von Volker Bouffier geführten Innenministerium an, als Referent für die

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