Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Eckard Pisch. Das Team war höchst erfolgreich. Bundesweit holten die Beamten eine Milliarde Mark an hinterzogenen Steuern herein. Von der Oberfinanzdirektion Frankfurt erhielten sie eine schriftliche Belobigung.
Doch 1999 gewinnt die CDU die Landtagswahl in Hessen, Roland Koch wird Ministerpräsident, Finanzminister wird ein mit ihm seit Jahren verschworener Weggefährte, der Jurist Karlheinz Weimar. Im Jahr 2000 fliegt auf, dass die Hessen- CDU 20 Millionen Mark an Schwarzgeld in Liechtenstein versteckt hat. Außer der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt auch die Steuerfahndung Frankfurt, offensichtlich zum Missfallen von Roland Koch, denn die Beamten werden von ihren Vorgesetzten von dem Fall abgezogen. Der frühere CDU -Landeschef Manfred Kanther wird wegen der Schwarzgeldverschiebung angeklagt und zu einer Geldstrafe verurteilt, während Roland Koch behauptet, von dem Schwarzgeld nichts gewusst zu haben. Dies erscheint äußerst unglaubwürdig. Er verspricht »brutalstmögliche Aufklärung«. Aufgeklärt wird nichts, aber das Prädikat »brutalstmöglich« wird bundesweit zum persönlichen Markenzeichen Roland Kochs.
Seine Glaubwürdigkeit wird weiter erschüttert, als er zugeben muss, bewusst einen falschen Rechnungsbericht der CDU über Parteispenden unterschrieben und der Bundestagsverwaltung zugeleitet zu haben. Die Rückflüsse des Schwarzgeldes aus Liechtenstein sind als Darlehen des CDU -Schatzmeisters Casimir zu Sayn-Wittgenstein deklariert worden. Außerdem hat Koch am 10 . Januar 2000 auf Anfrage erklärt: »Ich kenne bis zum heutigen Tage keinen einzigen Vorgang außerhalb der offiziellen Buchhaltung der CDU .« Auf einer Pressekonferenz am 8 . Februar 2000 muss er jedoch zugeben, dass er in beiden Fällen die Unwahrheit gesagt hat.
Ende 2000 hat Roland Koch die Affären einigermaßen überstanden. Es ist wohl kein zeitlicher Zufall, dass sich nunmehr für die Steuerfahndung das Blatt wendet. Die Finanzbeamten arbeiten weiterhin höchst erfolgreich, die Steuereinnahmen aus Hinterziehungsfällen sind nach wie vor hoch. Plötzlich aber wird »von oben« her der Rückwärtsgang eingelegt. Als das Finanzamt Frankfurt beantragt, das Personal um 25 Steuerfahnder aufzustocken, weil noch 60 000 Verfahren abzuarbeiten seien – das hätte dem Land Hessen und der Bundesrepublik viele Millionen gebracht –, weigert sich das hessische Finanzministerium.
Rechtswidrige Weisungen
Was geschieht stattdessen? Den Steuerfahndern wird am 30 . August 2001 eine Amtsverfügung überreicht – seltsamerweise in einem geschlossenen Umschlag. Anders als die sonstigen Dienstanweisungen wird sie nicht in die offizielle Amtsregistratur aufgenommen. Jeder Empfänger der Weisung wird aktenkundig festgehalten. Die geheime Weisung ordnet an, dass ein Verdacht auf Steuerhinterziehung bei Geldtransfers ins Ausland nur noch dann anzunehmen sei, wenn es sich um ein Volumen von über 500 000 Mark oder einen Einzeltransfer von über 300 000 Mark handle. Faktisch war diese Anordnung eine Amnestie, eindeutig gesetzwidrig, denn die Strafprozessordnung macht einen Anfangsverdacht nicht von bestimmten Betragsgrenzen abhängig. Zudem begünstigte die Weisung gerade diejenigen Steuerhinterzieher, die, wie es der Erfahrung entspricht, größere Beträge stückeln.
Die Steuerfahndungsbeamten erkannten sofort, welche Absichten mit dieser Amtsverfügung verfolgt wurden, und waren außer sich. Mehrere machten von ihrem gesetzlichen Recht auf Remonstration Gebrauch. Beamte dürfen rechtswidrige Weisungen nicht blind befolgen. Sie müssen gegebenenfalls bei den Vorgesetzten Widerspruch einlegen, »remonstrieren«. Beharren die Vorgesetzten auf ihrer Weisung, müssen die Beamten ihr nachkommen. Ist sie aber – wie es hier der Fall war – sogar strafbar, dürfen die Beamten sie unter keinen Umständen befolgen. Mit ihrem Widerspruch haben die Steuerfahnder hier jedoch keinen Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat Ermittlungen zu Steuerhinterziehungen über Liechtenstein aufgrund der sogenannten Batliner-CD durchgeführt. Ein Angestellter des Liechtensteiner Anwalts Batliner, Treuhänder für viele deutsche Steuerhinterzieher, hat deren Daten auf eine CD-ROM kopiert. Die Frankfurter Steuerfahnder Frank Wehrheim, Rudolf Schmenger und Marco Wehner, die ebenfalls hinsichtlich Liechtenstein ermitteln, vereinbaren am 25 . Oktober 2001 mit der Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, die Informationen auszutauschen – eine rechtlich
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