Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
belastet wurde. Zudem hätte er nun die Gutachten des Dr. Holzmann bezüglich der anderen zwangspensionierten Steuerfahnder überprüfen lassen müssen. Dass er dies unterließ, entlarvt ihn. Desgleichen auch Roland Koch, der durch den Bericht im Spiegel mit dem unfassbaren Skandal konfrontiert wurde, aber keine Abhilfe schaffte.
Es gab in Hessen noch einen weiteren Skandalfall, in dem ein Steuerbeamter sich Dr. Holzmann stellen sollte – gemäß einer Weisung der Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 21 . Dezember 2005 . Ein sehr tüchtiger, im Finanzamt Gelnhausen tätiger Betriebsprüfer sollte sich auf »eine mögliche Dienstunfähigkeit« untersuchen lassen. Er prüfte einen großen und prominenten Steuerpflichtigen, wurde aber plötzlich von der Amtsleiterin von dem Fall abgezogen. Es ging um einen Steuerbetrag von circa 25 Millionen Euro. Frappierend: Die Amtsleiterin war ausgerechnet die Ehefrau des Abteilungsleiters Mario Vittoria im Finanzministerium! Doch als der Beamte in einem Gespräch mit ihr eine Versetzung akzeptierte, widerrief die Oberfinanzdirektion am 23 . Dezember 2005 ihre Weisung. Unversehens stand der Betriebsprüfer nicht mehr im Verdacht, geisteskrank zu sein. Von einem Tag auf den anderen galt er als gesund. Allerdings noch nicht endgültig. Denn die Oberfinanzdirektion drohte ihm schriftlich, sie behalte sich vor, »eine entsprechende Weisung erneut zu erlassen«. Wie es heißt, musste der Betriebsprüfer unterschreiben, dass er über die gesamten Vorgänge über ein Jahr lang Stillschweigen bewahre.
Ein weiterer haarsträubender Fall vermittelt ebenfalls Einsichten in das Gebaren der Regierung Koch. Jürgen Rau, lange Jahre Leiter eines Finanzamts, CDU -Mitglied, wurde von Finanzminister Weimar, den er ebenso persönlich kannte wie den Abteilungsleiter Mario Vittoria, zum Direktor der hessischen Staatsbäder ernannt. Er sollte verschiedene Immobilien gewinnbringend veräußern. Beim Verkauf der Burg Stauffenberg boten deren Pächter 2 , 2 Millionen Mark. Rau empfahl Weimar mehrmals, das Angebot anzunehmen. Doch der verkaufte die Burg für nur 950 000 Mark – abzüglich der vom Land Hessen zu tragenden Instandhaltungskosten in Höhe von 240 000 Mark – an einen anderen Erwerber. Die Affäre wurde öffentlich, Weimar geriet in Bedrängnis. Plötzlich erfuhr Rau aus der Presse, dass das Finanzministerium gegen ihn wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten beim Umbau des Jagdschlosses in Rüdesheim ermittle. Rau wehrte sich entschieden. Er klagte über »Weimars ministeriales Mobbingsystem« und warf ihm unzulässige Geschäfte vor. Das Finanzministerium versuchte nunmehr, ihn als Querulanten hinzustellen. Rau schrieb daraufhin mehrmals an Weimar, der nie antwortete. Man sieht: Weimar praktizierte hier die gleichen menschenverachtenden Methoden wie gegenüber den Steuerfahndern! Es kam zum Prozess. Das Landgericht Frankfurt sprach Rau in vollem Umfang von den Vorwürfen des Finanzministeriums frei. Selbst die Staatsanwaltschaft forderte Freispruch. Eine Rehabilitierung durch Weimar blieb jedoch aus.
Ein vernichtendes Gerichtsurteil
Schiffbruch erleiden sollte Weimar – und damit zugleich sein Chef Roland Koch – auch hinsichtlich der angeblich verrückten Steuerfahnder. Der Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer Hessen griff die Sache auf. Er schrieb am 27 . März 2008 an Schmenger, es bestehe gegen Dr. Holzmann »ein hochgradiger Verdacht auf Gefälligkeitsbegutachtung«. Der Richter a. D. Rainer Raasch wurde von der Landesärztekammer mit den Ermittlungen beauftragt. Unter dem Titel »Eiskalt abserviert« berichtete die Illustrierte Stern groß über die Affäre. Tatsächlich kam der frühere Richter zu dem Ergebnis, der Psychiater Holzmann habe Gefälligkeitsgutachten erstellt. Die Ärztekammer erhob gegen ihn berufsrechtliche Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen, zugleich erstattete sie Strafanzeige gegen ihn wegen Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses (Paragraf 278 Strafgesetzbuch).
Am 13 . Juli 2009 berichtete der Spiegel erneut über den Skandal. ARD -Report Mainz schilderte den ungeheuerlichen Vorfall, »wie aus engagierten Beamten psychisch Kranke wurden«. Die Frankfurter Rundschau beschäftigte sich unter der Überschrift »Kontrolle unerwünscht« mit drei weiteren Fällen, in denen Steuerbeamte unter Koch und Weimar von brisanten Steuerfällen abgezogen wurden. Es waren der Regierungsoberrat Franz Honemann, der die Deutsche Bank
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