Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
Vom Netzwerk:
Richter auch dies. Sie argumentierten: »Selbst wenn sich die Aggressivität des Verurteilten nur gegen einzelne Personen richtet und nur hier Straftaten drohten, ist gleichwohl eine Gefährdung der Allgemeinheit anzunehmen, weil auch diese einzelnen Personen Mitglieder der Allgemeinheit sind und in vollem Umfang geschützt werden müssen.« Erstaunlich, wie sich eine frühere Ehefrau in die Allgemeinheit verwandeln ließ!
    Unausweichlich das Verdikt: Mollath bleibt weggesperrt! Das hatte selbstverständlich auch die der Justizministerin Merk unmittelbar unterstehende Generalstaatsanwaltschaft beantragt.
    »So etwas ist mir noch nicht passiert«, empörte sich Mollaths Anwalt Ziegler. Er war außer sich über die völlige Versagung des rechtlichen Gehörs und stellte Antrag auf dessen Nachholung (Paragraf 33 a StPO). Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte prompt, den Antrag kostenpflichtig abzuweisen. Die Richter des Oberlandesgerichts lehnten weiteres rechtliches Gehör ab. Der reguläre Rechtsweg war nunmehr ausgeschöpft.
    Sich an den Landtag zu wenden war aussichtslos. Aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes befasst sich der Landtag nicht mit Petitionen, wenn ein Gericht entschieden hat. Im Fall von Rechtsbeugung durch ein Gericht allerdings müsste nicht nur Justizministerin Merk einschreiten, sondern der Landtag könnte die Sache ebenfalls aufgreifen. Gegen einen Bayreuther Richter zum Beispiel, der Verkehrssünder angeblich zu milde abgeurteilt hatte, war die Ministerin vorgegangen. Aber hier würde sie sicherlich den Vorwurf der Rechtsbeugung entschieden zurückweisen. Mollath konnte allenfalls auf einen Regierungswechsel hoffen, aber nur sehr vage.
    In der psychiatrischen Anstalt Bayreuth war Mollath in einem Teufelskreis gefangen. Leipziger hielt ihn fest mit der Begründung, er weigere sich hartnäckig, sich einer Therapie zu unterziehen. Wie freilich sollte eine solche Therapie aussehen? Und wann war sie erfolgreich? Doch nur dann, wenn er wider besseres Wissen eingestand, dass seine bisherigen Angaben über die Schwarzgeldverschiebungen Wahnvorstellungen seien. Allein schon, wenn er in eine Therapie einwilligte, nur um endlich freizukommen, gab er damit zu, dass er verrückt sei. Dann konnte Leipziger vor Gericht triumphieren und erklären, jetzt endlich zeige er Krankheitseinsicht.
    Aber Leipziger verlangte sogar von ihm, er müsse sich mit Neuroleptika behandeln lassen. Das heißt, in seinem Gehirn sollten physiologische Veränderungen herbeigeführt werden mit dem erklärten Ziel, ihn von seinen wahnhaften Behauptungen über die Schwarzgeldverschiebungen zu »heilen«. Mit anderen Worten: Er sollte sich einer Gehirnwäsche unterziehen. Woher sollte Mollath außerdem das Vertrauen nehmen, dass nicht zu viel oder falsch gespritzt wurde? Vertrauen? Nach dem eklatant falschen Einweisungsgutachten Leipzigers? Abgesehen davon, gab es ein großes Merkblatt der Anstalt, das auf schädliche Nebenwirkungen von Neuroleptika hinwies.
    Aber selbst wenn Mollath sich auf all das eingelassen hätte – welche Gewähr hatte er, dass Leipziger ihn dann als geheilt freilassen würde? Mollath sagte mir, er glaube nicht daran. Mit der Aussicht auf Freilassung wolle Leipziger ihn lediglich ködern, einer Therapie zuzustimmen. Es würde sich immer eine Begründung finden, dass er noch nicht geheilt sei.
    Und wer könnte nicht am Ende wirklich verrückt werden, wenn er plötzlich in die Psychiatrie verbracht würde? Wer könnte für sich verbürgen, dass er nach sieben Jahren dort drinnen noch normal wäre? In der zermürbenden Ungewissheit, ob man je wieder in Freiheit kommt, im Bewusstsein, dass wertvolle Jahre des Lebens verstreichen. Von früh bis spät in der Gesellschaft von Mördern, Sexualtriebtätern, Drogen- und Alkoholsüchtigen. Eine Stunde Hofgang am Tag, sonst eingesperrt auch bei schönstem Wetter, während die draußen ihre Freizeit genießen und in Urlaub fahren.
    Eines Tages rief mich Mollath bestürzt an. Ein früherer Zimmergenosse habe sich erhängt. Kurz darauf schickte er mir den Bericht eines Inhaftierten, der darlegte, wie viele sich schon umgebracht hätten. Wenig später teilte er mir mit, ein neu eingelieferter Gewalttäter aus Russland habe ihm wiederholt gedroht, er werde ihn zusammenschlagen. Ich begann zu fürchten, Mollath könnte eines Tages die Nerven verlieren und seinem Leben ein Ende setzen. Um ihn aufzumuntern, rief ich ihn nun regelmäßig an.
    106 Seiten eines Schnellhefters
    Wie

Weitere Kostenlose Bücher