Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Ehefrau und Jahre später seine Lebensgefährtin unter Alkoholeinfluss getötet hatte, aus der Sicherungsverwahrung entlassen hatte, weil nicht erwiesen sei, dass er sehr gefährlich sei. Und das, obwohl der Sachverständige »ausdrücklich« erklärt hatte, er sei weiterhin sehr gefährlich. Dass Mollath aufgrund seiner Strafanzeigen für die HypoVereinsbank und ihre Schwarzgeldkunden als brandgefährlich galt, war überdeutlich. Aber diese spezielle Art der Gefährlichkeit rechtfertigt nach geltender Gesetzeslage kein Wegsperren in eine psychiatrische Anstalt. Dies kann die Vollstreckungskammer nicht verkannt haben.
Die weisen Richter des Oberlandesgerichts Bamberg
Die sofortige Beschwerde des Verteidigers schmetterten die Richter des ersten Senats beim Oberlandesgericht Bamberg auf nur drei Seiten mit markigen Worten ab. Sie bescheinigten der Vollstreckungskammer, sie sei »nach sorgfältiger Ermittlung (!) aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Verurteilten eine wahnhafte Störung vorliegt …«. Alle angeführten Gründe seien zutreffend, das Gutachten des Prof. Pfäfflin sei überzeugend. Die Sache hatte aber einen gewaltigen Haken: Die Richter setzten sich praktischerweise mit den massiven Einwänden des Verteidigers überhaupt nicht auseinander. Sein Vorbringen schmolzen sie gar auf die wenigen Worte ein, der Verteidiger habe in seinem Schriftsatz vorgetragen, Mollath »leide weder unter einem Wahn, noch sei zu erwarten, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs rechtswidrige Taten begehen werde«. Sie schrieben: »Hinsichtlich der Ausführungen im Einzelnen wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug genommen.« Ähnlich einem Zauberer, der mit einem Trick einen Elefanten von der Bühne verschwinden lassen kann, machten die Richter durch diese Verweisung auf den Akteninhalt schwerstwiegende Gegenargumente in ihrer Begründung unsichtbar.
Damit brauchten die Richter nicht selbst darzulegen, worin der angebliche Wahn bestand, und konnten zugleich ausblenden, dass Mollaths Angaben nie überprüft worden waren. So mussten sie nicht auf die unsägliche Behauptung Pfäfflins zurückgreifen, für die Annahme eines Wahns spiele die Wirklichkeit nur eine untergeordnete Rolle. Sie wollten nicht auf diese Falltür treten – sie zeigten, dass sie der Vollstreckungskammer Bayreuth intellektuell überlegen waren.
Stattdessen schoben die Richter eine den Wahn darlegende Stellungnahme Leipzigers vor. Sie zitierten daraus, Mollath sei unverändert überzeugt, er sei ein Opfer des Bankensystems und wolle als unliebsamer Mitwisser aus dem Weg geräumt werden, da er die Schwarzgeldverschiebungen aufdecken wolle. (Man beachte, wie elegant der Name der HypoVereinsbank durch die Vokabel »Bankensystem« verdeckt wird!)
Weitere Punkte Leipzigers waren reine Stimmungsmache gegen Mollath: Er betätige sich gegenüber Mitpatienten als Rechtsberater, schalte das Fernsehprogramm eigenmächtig um, beharre auf einem bestimmten Sitzplatz, wolle den anderen seine Meinungen aufdrängen und so weiter. Und schließlich der Gipfel: Einem medikamentösen Behandlungsversuch mit Neuroleptika stehe der Verurteilte, der sich psychisch für völlig gesund halte, rigoros ablehnend gegenüber. Wie abstrus oder lächerlich diese Argumente auch waren, die hohen Richter erklärten sie für überzeugend.
Doch sie hatten noch ein weiteres Problem zu bewältigen. Sie mussten darlegen, dass Mollath auch künftig gemeingefährlich sei. Beweis hierfür seien, argumentierten sie, »insbesondere die Körperverletzungsdelikte zum Nachteil der früheren Ehefrau«. Das Argument aber hatte gleich zwei Defekte. Wer seine Ehefrau schlägt, ist deswegen nicht gleich gefährlich für andere. (Eine Befragung von 10 000 Frauen im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergab: Jede sechste Frau hat Gewalt mit Verletzungsfolgen seitens ihres Partners erlebt – unabhängig vom Bildungsstand, zitiert nach dem evangelischen Magazin Chrismon ). Mollaths Ehe war zudem seit acht Jahren geschieden. Und das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte seinem Urteil nicht mehrere Körperverletzungsdelikte zugrunde gelegt, wie die Bamberger Richter plötzlich behaupteten, sondern nur ein einziges. Die angeblichen Reifenstechereien ließen sie unerwähnt, da sie rechtlich gesehen nach sechs Jahren Inhaftierung bedeutungslos waren.
Aber wie macht man aus einem Delikt gegenüber der Ehefrau eine Gefahr für die Allgemeinheit? Mit unvergleichlichem Scharfsinn schafften die
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