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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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erwähnt, hatte Mollath in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg-Fürth am 25 . September 2003 einen Schnellhefter mit 106 Seiten als Verteidigungsvorbringen übergeben. Ich stiftete Mollaths Anwalt Ziegler an, Akteneinsicht zu beantragen. Mir war klar, dass die Justiz dadurch in höchste Bedrängnis geraten würde. Gab sie den Schnellhefter heraus, dann wäre sie, sofern die Beweise manifest waren, erst recht der Strafvereitelung überführt, indem sie sich geweigert hatte, gegen die HypoVereinsbank und ihre Schwarzgeldkunden zu ermitteln. Hielt die Justiz jedoch das Beweismaterial zurück oder hatte sie es vernichtet, sah sie sich dem schlimmen Vorwurf der Aktenunterdrückung ausgesetzt. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
    Nachdem der Anwalt innerhalb eines Vierteljahres dreimal vergeblich Akteneinsicht in den Schnellhefter beantragt hatte, fragte ein von mir informierter Journalist der Nürnberger Nachrichten bei der Justiz an, warum man die 106 Seiten nicht herausgebe. Das Justizministerium verwies ihn an die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke. Diese versicherte ihm, der Anwalt habe sie längst erhalten und sogar schon wieder zurückgeschickt. Als sich das auf Rückfrage als unwahr herausstellte, behauptete sie, sie habe sich geirrt. Sie habe das verwechselt mit einer Aktenversendung drei Jahre zuvor. Ein sehr merkwürdiger Irrtum. Aber, so behauptete die Oberstaatsanwältin nun, die 106 Seiten seien wahrscheinlich gemäß der sogenannten Aufbewahrungsverordnung nach fünf Jahren vernichtet worden. Dies konnte schon deshalb nicht stimmen, weil, wie ihr bewusst sein musste, von einem Angeklagten übergebene Schriftstücke als dessen Eigentum gelten und deshalb nicht vernichtet werden dürfen, sondern ihm als Asservate zurückzugeben sind. Mit anderen Worten: Die Aufbewahrungsverordnung griff in diesem Fall nicht.
    Auf Bitte des Journalisten sandte die Oberstaatsanwältin ihm den Text der Verordnung zu; eine dort vorgesehene Fünfjahresfrist hatte sie umringelt. Als der Journalist ihr vorhielt, die Regelung gelte für andere Strafrechtsfälle, sah sie sich gezwungen, dies einzuräumen. Jetzt plötzlich gab sie zu, dass der Schnellhefter doch vorhanden sei. Bald darauf schrieb indessen ein Staatsanwalt aus der Pressestelle dem Journalisten, der Schnellhefter sei gemäß der Aufbewahrungsordnung vernichtet worden. Damit konfrontiert, sagte Gabriels-Gorsolke, das sei ein Missverständnis, er würde noch existieren. Trotzdem erhielt der Anwalt den Schnellhefter auch weiterhin nicht – es war unfassbar, was sich die Justiz da herausnahm. Erst nachdem Rechtsanwalt Ziegler sich beim Generalstaatsanwalt heftig beschwert hatte, bekam er den Schnellhefter – nach einem halben Jahr! Zu spät, die Vollstreckungskammer Bayreuth hatte schon entschieden.
    Der Schnellhefter belastete die Justiz gewaltig. Denn er enthielt neben anderen Unterlagen eindeutige Dokumente, die die von Mollath geschilderten Schwarzgeldverschiebungen bewiesen. All das lag den Staatsanwälten und den Richtern längst vor. Seit der Verhandlung am 25 . September 2003 saßen sie darauf. Dennoch hatten sie Mollaths Angaben als paranoide Wahnsymptomatik erklärt und ihn weggesperrt.
    Ein Wiederaufnahmegrund per Zufall
    Nachdem das Oberlandesgericht ablehnend entschieden hatte, rief mich der Zahnarzt Edward Braun aus Bad Pyrmont an. Er war bedrückt über das Schicksal seines langjährigen Freundes Gustl Mollath. »Aber seine Frau hat mir doch selbst erzählt, dass sie das Schwarzgeld von Kunden in die Schweiz transportiere«, erinnerte er sich. Dann erzählte er, dass er auch mit ihr über viele Jahre engstens befreundet gewesen sei. Er und die Mollaths hätten zusammen an Ferrari-Rennen teilgenommen und gemeinsame Urlaubsreisen unternommen. Als es wegen der Schwarzgeldverschiebungen zu Eheproblemen kam, habe sie ihn gebeten, auf ihren Mann einzuwirken. Braun schilderte mir Details. Völlig überrascht sagte ich: »Herr Braun, was Sie hier sagen, ist ja ungeheuer wichtig. Das ist ein Wiederaufnahmegrund! Legen Sie das schriftlich nieder und möglichst präzise.«
    Unter dem Datum vom 7 . September 2011 verfasste Braun eine eidesstattliche Versicherung. Die zentralen Passagen lauteten: Petra Mollath habe ihm etwa 1999 / 2000 bei einem Telefonanruf angeboten, »falls ich Geld anlegen wolle, könne sie mir helfen. Sie fahre häufig mit Kundengeldern in die Schweiz.« Gustl

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