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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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äußern. Justizministerin Merk ließ schließlich notgedrungen verlautbaren, »wir möchten die gegenüber unserem Haus erhobenen haltlosen und völlig aus der Luft gegriffenen Vorwürfe nicht weiter kommentieren«. Gemeint war ich.
    Aber dann, am 13 . Dezember 2011 , war es endlich so weit. Die ARD -Sendung Report Mainz prangerte den Fall an. Die Fernsehzuschauer waren, wie die Reaktionen zeigten, erschüttert. Dass so etwas in Bayern möglich sei, hätte zuvor niemand glauben wollen. Das Land wurde doch von Persönlichkeiten regiert, die eigenem Bekenntnis zufolge fromme Christen waren!
    Zwei Tage später brachten die Freien Wähler im Plenum des Landtags einen Dringlichkeitsantrag zum Fall Mollath ein. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Florian Streibl, ein Sohn des früheren Ministerpräsidenten, verlangte von Beate Merk umfassende Aufklärung. Die gleiche Forderung erhoben Inge Aures, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD , und die Landtagsvizepräsidentin Christine Stahl von Bündnis 90 /Die Grünen.
    Erwartungsgemäß verschanzte sich die Ministerin hinter der Unabhängigkeit der Gerichte. Sie berief sich darauf, renommierte psychiatrische Sachverständige hätten bei Mollath eine paranoide Wahnsymptomatik festgestellt. Allerdings unterschlug sie geflissentlich, worin der angebliche Wahn bestand. Warum verschwieg sie das? Der eidesstattlichen Versicherung eines früheren Richters, die Strafanzeigen Mollaths seien von der Staatsanwaltschaft »aufgrund einer Anordnung aus der Politik unterdrückt worden«, setzte sie entgegen: »Dieser frühere Richter wurde für die Republikaner in den Nürnberger Stadtrat gewählt.« Als ob deswegen diese eidesstattliche Versicherung falsch sein müsste.
    In allen Details beschrieb sie sodann die angebliche Misshandlung Petra Mollaths durch ihren Mann – jedes Wort ein Hammerschlag. Die Taktik der Ministerin war klar: nichts sagen zu dem so heiklen »Wahnsystem«, dafür die angebliche Körperverletzung als unglaublich brutal herausstellen!
    Ich saß hoch oben auf der Zuschauertribüne des Landtags und hörte mir das alles an. Die Gefühlskälte, mit der die 56 -jährige Junggesellin da unten am Rednerpult auf den im fernen Bayreuth weggesperrten Mollath einhackte, machte mir klar, warum sie selbst in der CSU , wie die Presse immer wieder berichtete, nur geringe Sympathien zu genießen scheint. Guten Glaubens konnte sie bei dem, was sie vortrug, nicht sein. Denn zweifellos hatte ihr die Staatsanwaltschaft längst meine Ausarbeitung zugeleitet, mit der ich das Einweisungsurteil und die medizinischen Gutachten auseinandergenommen habe, und es lag ihr die eidesstattliche Versicherung des Zahnarztes Braun vor.
    Der Landtag beschloss schließlich, die Nichtverfolgung der Strafanzeigen Mollaths im Rechtsausschuss zu erörtern, nicht aber seine Unterbringung in der Psychiatrie, weil hierüber Gerichte entschieden hätten. Das war ein herber Rückschlag, doch die Schlacht war noch nicht verloren.
    Es war klar, dass die hartleibige Justizministerin Beate Merk selbst jetzt nicht bereit war, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, Gustl Mollaths Freilassung zu veranlassen. Sie fühlte sich stark. Dagegen half nur, den Fall der Öffentlichkeit als den ungeheuerlichen politischen Justizskandal, der er war, noch deutlicher bewusst zu machen. Die Berichte der Medien sind meist Eintagsfliegen, wenn nichts nachfolgt. Die Solidargemeinschaft »Gustl Mollath« in Nürnberg stellte daher den Skandalfall im Internet dar, einschließlich eines Videos über meinen Auftritt in der Villa Leon in Nürnberg. Alle Interessierten, und das waren sehr viele, konnten jetzt studieren, was da abgelaufen war und noch ablief. So erwies sich das Internet als ein mächtiger Rammbock gegen die Justizministerin. Das mochte Wählerstimmen kosten, bewirkte aber noch keinen Durchbruch.
    Es war unfassbar: Der Justizskandal war aufgedeckt, und doch sollte Mollath weiterhin hinter Gittern bleiben!
    Zu Hilfe eilte völlig überraschend der hoch angesehene Prof. Klemens Dieckhöfer, Bonn. Er war lange Jahre in der Forensischen Psychiatrie und Sozialpsychiatrie als Gutachter tätig gewesen, hatte auch für das Bundesverteidigungsministerium gearbeitet. Ich fragte bei ihm an, ob er bereit sei, eine methodenkritische Stellungnahme zu den unhaltbaren Gutachten Leipzigers und Pfäfflins zu erstellen.
    Im Februar 2012 nahm Dieckhöfer zu deren Argumentation Stellung. Er qualifizierte sie schlichtweg als

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