Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Adjutant der Justizministerin, Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich, der Staatsanwaltschaft Regensburg – die ebenfalls an einem Wiederaufnahmeantrag arbeitete – untersagte, Auskunft zu geben. Er betonte, Auskünfte erteile künftig nur noch er selbst.
Man gab oben die Zügel nicht aus der Hand. Doch ein Entkommen war den Verantwortlichen inzwischen nicht mehr möglich. Auch Prof. Henning Müller versperrte ihnen den Fluchtweg. In einem Blog vom 23 . Februar 2013 stellte er fest: »Die Strafsache Mollath ist eine bisher von mir nie gesehene Ansammlung von vorsätzlichen Gesetzesverletzungen … und Versagen von kontrollierenden Instanzen. Hinzukommt eine – angesichts der (sachlich formulierten) Schreiben Mollaths geradezu unmenschlich erscheinende Ignoranz der Adressaten … Es ist nachvollziehbar, dass es Herrn Mollath so vorkommt, als habe man sich gegen ihn verschworen.«
Zwei missverständliche Staatsbeamte
Innerhalb von nur einer Woche mussten Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich und Roland Jüptner, Präsident des Landesamts für Steuern, vor dem Rechtsausschuss des Landtags erscheinen. Die Opposition war empört: Sie warf ihnen vor, sie hätten in der vorangegangenen Sitzung am 28 . Februar 2012 die Unwahrheit gesagt. Vehement verlangte sie, Nerlich vom Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath abzuziehen. Denn die Zeit hatte berichtet, die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg habe in einem Interview geäußert, wenn der Fall wegen »Flüchtigkeitsfehlern« im Urteil neu verhandelt werde und es zu einem Freispruch komme, sei das eine Katastrophe für das bayerische Volk, denn die Justiz werde gezwungen, »einen gefährlichen Mann auf die Straße zu entlassen«.
Nerlich gab zwar zu, dass er der Zeit gegenüber erklärt habe, das Urteil enthalte »einige Unrichtigkeiten«, bestritt aber die Äußerung im Übrigen. Doch auf Anfragen hin bekräftigte die stellvertretende Chefredakteurin der Zeit : »Wir bleiben bei unserer Darstellung.« Nerlich bestritt auch, dass er Mollath als einen wirren Charakter bezeichnet habe – das Wort »wirr« habe er mit Sicherheit nur auf dessen Ausführungen bezogen. Den Vorwurf, er habe nachweislich wahrheitswidrig behauptet, der Revisionsbericht der HypoVereinsbank von 2003 gebe »gerade keine Belege für steuerrechtliche Verstöße«, versuchte er vergeblich damit zu widerlegen, er habe Beweise für Bargeldtransfers gemeint.
Roland Jüptner, früher Ministerbüroleiter unter Erwin Huber, hatte in der vorangegangenen Sitzung behauptet, über den Anruf des Richters Brixner bei der Steuerfahndung, wonach Mollath verrückt und deshalb seine Strafanzeige nicht ernst zu nehmen sei, habe der Beamte, mit dem Brixner telefoniert habe, keinen Aktenvermerk gefertigt. Doch die Presse konnte gleich darauf sogar zwei solcher Aktenvermerke präsentieren. Diese hatte Jüptner selbst kurz zuvor in einem Bericht an das Finanzministerium zitiert! Er hatte somit vor den Landtagsabgeordneten die Unwahrheit gesagt. Jetzt redete er sich darauf hinaus, wegen des Steuergeheimnisses habe er die Aktenvermerke verschweigen müssen – eine weitere Unwahrheit. Denn das Steuergeheimnis untersagt lediglich, die steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen offenzulegen.
Beamte haben eine dienstliche Wahrheitspflicht gegenüber staatlichen Organen, erst recht gegenüber dem Parlament. Ein Verstoß dagegen ist ein Dienstvergehen. Der Landtag ist die Vertretung des Volkes. Und das weiß jedenfalls jetzt, woran es ist, nachdem die besagten Herren ungeschoren blieben, da Justizministerin Merk und Finanzminister Söder keine Disziplinarverfahren gegen Nerlich und Jüptner eingeleitet haben.
Der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg
Ende März 2013 stellte schließlich auch die Staatsanwaltschaft Regensburg beim dortigen Landgericht einen Wiederaufnahmeantrag. Die Presse jubelte: Hier wird ein Stück bundesdeutsche Rechtsgeschichte geschrieben! Zum ersten Mal sah sich eine Staatsanwaltschaft gezwungen, zugunsten eines Verurteilten ein Verfahren neu aufzurollen. Der schier aussichtslos erscheinende Kampf gegen die Justizministerin und ihre Verbündeten in der Partei und in der Justiz hatte zum Erfolg geführt.
Für Beate Merk war es eine krachende Niederlage, hatte sie doch Mollath unentwegt als brutalen Gewalttäter hingestellt, der weiterhin weggesperrt werden müsse, und erklärt, der Fall sei mehrmals umfänglich überprüft worden.
Auf drei Gründe stützte sich der
Weitere Kostenlose Bücher