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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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Wiederaufnahmeantrag. Erstens hatte sich herausgestellt, dass das ärztliche Attest über die angeblich von Petra Mollath erlittenen Blessuren nicht von der Ärztin Reichel stammte, sondern von ihrem Sohn, einem noch nicht zugelassenen Assistenzarzt. Zweitens hatte die Staatsanwaltschaft erstmals den Facharzt Dr. Wörthmüller vernommen, der Mollath zunächst untersuchen sollte, von diesem aber abgelehnt wurde, weil er Dr. Wörthmüller – laut Urteil – »wahnhaft« beschuldigt habe, mit den Schwarzgeldkreisen in Verbindung zu stehen. Das Gericht hatte den Facharzt skandalöser Weise dazu überhaupt nicht vernommen. Nunmehr sagte Dr. Wörthmüller aus, Mollath habe ihm keineswegs wahnhaft, sondern aus rationalen Gründen eine solche Verbindung unterstellt. Denn tatsächlich arbeite sein Nachbar, mit dem er befreundet sei, mit einem früheren Arbeitskollegen Petra Mollaths zusammen, der angeblich mit Schwarzgeldverschiebungen befasst war. Dr. Wörthmüller gab auch zu, dass er Mollath vorgeschlagen habe, die »Schwarzgeldverschiebungen« aus dem zu erstellenden Gutachten auszuklammern. Mollath habe darin aus seiner Sicht zu Recht das Angebot eines »Gefälligkeitsgutachtens« sehen können – was Mollath mehrmals vorgebracht hatte. Mit dieser Aussage war eine weitere Säule des Urteils weggebrochen.
    Als dritten Wiederaufnahmegrund stufte die Staatsanwaltschaft Regensburg die eidesstattliche Versicherung des Zahnarzts Edward Braun ein. Bei seiner Vernehmung als Zeuge bestätigte er diese: Am 31 . Mai 2003 habe ihn Petra Mollath angerufen und gebeten, ihrem Mann Folgendes auszurichten: Wenn er sie und ihre Bank anzeige, werde sie ihm etwas anhängen, sie wisse auch schon wie. Sie werde ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Wenn er die Klappe halte, werde sie ihm 500 000 Mark seines Vermögens lassen.
    Den 31 . Mai 2003 als Tag des Telefonats hatte Braun seinerzeit in seinem Terminkalender vermerkt, den er der Staatsanwaltschaft vorlegte. Überrascht stellte diese fest, dass genau am Tag zuvor Petra Mollath in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt war, um restliche Sachen dort abzuholen. Laut Urteil hatte sie ihren Mann bezichtigt, er habe sie dabei angegriffen, aufs Bett geworfen und über eineinhalb Stunden am Verlassen der Wohnung gehindert. Derlei habe ihm, so Braun bei seiner Vernehmung, Petra Mollath nicht erzählt. Obwohl man eng befreundet gewesen sei, habe sie ihm auch nie gesagt, dass ihr Mann sie des Öfteren misshandelt habe.
    Die Aussage Brauns erklärte die Staatsanwaltschaft für überzeugend, zumal feststehe, dass Petra Mollath die von ihr angekündigten Drohungen tatsächlich wahrgemacht habe!
    Was die von Anwalt Strate geltend gemachten zehn Wiederaufnahmegründe betraf, so räumte die Staatsanwaltschaft die Rechtsverstöße des Gerichts ein, spielte sie aber mit unzutreffenden Argumenten herunter, indem sie behauptete, ein schwerer Rechtsbruch der Richter Brixner und Heinemann und somit eine strafbare Rechtsbeugung liege nicht vor. Schuld war angeblich allein Petra Mollath. Doch selbst einem Laien ist klar: Ein oder zwei kleinere Rechtsverstöße lassen sich noch mit Unachtsamkeit erklären, nicht jedoch die hier aufgezeigte Fülle elementarer Rechtsverstöße – noch dazu bei einem so routinierten Vorsitzenden wie Brixner und ausgerechnet dann, wenn es um Schwarzgeldverschiebungen in Millionenhöhe geht. Wenn Brixner in der Verhandlung Mollath mehrmals laut brüllend verbot, darüber zu reden, andernfalls würde er ihn des Saales verweisen – war das etwa ein »Versehen«?
    Fein säuberlich hatte man mit dem juristischen Skalpell dezidierter Argumentation das Krebsgeschwür Mollath aus dem ansonsten scheinbar völlig gesunden Körper der Justiz herausoperiert – unter der Aufsicht von Merk und Nerlich. Da es für die Wiederaufnahme nach Paragraf 359, Nummer 5 der Strafprozessordnung nur auf bisher unbekannte Gründe ankam, blieb der bösartigste Kernpunkt ausgeblendet: dass man Mollath wegen Paranoia in die Psychiatrie wegsperrte, obwohl man sich geweigert hatte, seine angeblichen Wahnvorstellungen bezüglich der Schwarzgeldverschiebungen zu überprüfen. Aber vielleicht würde sich in der kommenden Verhandlung das Landgericht Regensburg ja damit befassen müssen.
    »Der Fisch stinkt vom Kopf her!« Dass dieser gängige Erfahrungssatz im Fall Mollath zutraf, stellte die Staatsanwaltschaft Regensburg trefflich unter Beweis – möglicherweise unter Inkaufnahme des öffentlichen

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