Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Eindrucks, die Justizministerin bloßgestellt zu sehen. In ihrem Wiederaufnahmeantrag gab sie das an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gerichtete Schreiben des Zahnarztes Braun vom 23 . November 2011 wieder, mit dem dieser seine eidesstattliche Versicherung übersandt hatte. Darin heißt es: »Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft, bitte veranlassen Sie unverzüglich im Fall Gustl Mollath ein Wiederaufnahmeverfahren. Die Justizministerin Frau Dr. Merk ist ebenfalls informiert … Bitte informieren Sie mich über Ihre Entscheidung.« Eine Kopie seines Briefes an die Justizministerin vom 23 . November 2011 hatte er beigelegt.
In ihrem Wiederaufnahmeantrag zitierte die Staatsanwaltschaft Regenburg dankenswerterweise auch diesen Brief vollständig! Braun schrieb darin:
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Dr. Merk,
für den Fall, dass Ihnen meine eidesstattliche Versicherung vom 7. September 2011 nicht zugegangen sein sollte, übersende ich sie hiermit mit der Bitte, alles zu veranlassen, dass Gustl Mollath unverzüglich aus der Psychiatrie entlassen und entschädigt wird. Die Nürnberger Nachrichten haben in einem Artikel vom 7. Oktober 2011 über den wesentlichen Inhalt der eidesstattlichen Versicherung bereits berichtet. Sie haben die Pflicht, die Ihnen unterstehende Staatsanwaltschaft anzuweisen, ein Wiederaufnahmeverfahren durchzuführen.
Ich war lange Jahre mit Gustl Mollath und seiner früheren Ehefrau Petra eng befreundet. In meiner eidesstattlichen Versicherung habe ich insbesondere folgende Äußerungen von ihr wiedergegeben: …
Wie Sie, sehr geehrte Frau Dr. Merk, aus der Ihnen vorliegenden Analyse des Falls Mollath vom 28. März 2011 durch den Ministerialrat a. D. Dr. Wilhelm Schlötterer ersehen konnten, ist schon aufgrund anderer Umstände erwiesen, dass Gustl Mollath rechtswidrig in die Psychiatrie weggesperrt worden ist. Die von mir zitierten Äußerungen Petra Mollaths mir gegenüber sind ein zusätzlicher Beweis.
Ich bitte Sie nochmals nachdrücklich, die Konsequenzen zu ziehen. Da die von Ihnen weisungsabhängige Staatsanwaltschaft die Verbringung in die Psychiatrie durch entsprechende Anträge und die Weigerung, seine Angaben zu überprüfen, maßgeblich betrieben hat, sind Sie, sehr geehrte Frau Dr. Merk, persönlich verantwortlich.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhält eine Kopie dieses Schreibens samt der eidesstattlichen Versicherung.
Mit freundlichen Grüßen
Bis dahin hatte die Justizministerin alle Eingaben zugunsten Mollaths entschieden zurückgewiesen. Jetzt aber war sie mit einem eindeutigen Wiederaufnahmegrund konfrontiert. Was tat sie? Sie ordnete kein Wiederaufnahmeverfahren an! Im Gegenteil: Als der Fall Mollath drei Wochen später, am 15 . Dezember 2011 , auf Antrag der Opposition in einer Plenarsitzung des Landtags behandelt wurde, erklärte sie in ihrer vorbereiteten Rede, dass Mollath ein gefährlicher Gewalttäter sei, der weiterhin weggesperrt werden müsse. Mit keinem Sterbenswörtchen erwähnte sie die eidesstattliche Versicherung Brauns! In der nachfolgenden Sitzung des Rechtsausschusses am 8 . März 2012 erstattete sie nochmals einen ausführlichen, 29 Seiten umfassenden Bericht – und wiederum verschwieg sie pflichtwidrig den Abgeordneten den ihr bekannten Wiederaufnahmegrund. Genauso, wie sie in der gleichen Sitzung die Abgeordneten auch über den Inhalt des 106 -seitigen Schnellhefters getäuscht hatte.
Erst als Ende 2012 plötzlich die Presse über das skandalöse Telefonat des Vorsitzenden Richters Brixner mit einem Steuerfahnder berichtete, in dem er schon zwei Jahre vor dem Prozess Mollath für verrückt erklärt hatte, ordnete die Ministerin die Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens an – auch das anscheinend nur unter dem Druck der Öffentlichkeit und auf Anstoß von Seehofer. Das bedeutet: Durch diese Verzögerung um über ein Jahr hat sich die Justizministerin an Gustl Mollath schuldig gemacht. Gegen sie ist daher wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Eindrucksvoll stellte die Justizministerin in der Sendung Sonntagsstammtisch des BR am 7 . April 2013 dar, wie gewissenhaft und fürsorglich sie zugunsten Mollaths vorgegangen sei. Als Dieter Hanitzsch fragte, ob sie wegen ihres Verhaltens in diesem Fall nachts noch ruhig schlafen könne, entrüstete sie sich: Was er da sage, sei eine Ungeheuerlichkeit! Sie behauptete: »Ich habe gesagt: Wir wollen einen Wiederaufnahmeantrag
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