Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
aber blieb fast drei Wochen in Haft, ohne überhaupt zu erfahren, weshalb. Seine wiederholt gegen den Unterbringungsbefehl eingelegte Beschwerde wurde von Brixner ignoriert und nicht an das zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung weitergeleitet (Paragraf 306 Strafprozessordnung).
Als Mollath sieben Monate vor seinem Strafprozess wegen angeblicher Gemeingefährlichkeit in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen wurde, legte man ihm Hand- und Fußfesseln an. Dies war absolut rechtswidrig. Eine Fesselung ist nur zulässig bei Gefahr von Gewalt, Flucht oder Selbstmord. Außerdem dürfen Fesseln in der Regel nur entweder an den Händen oder an den Füßen angelegt werden (Paragraf 119 der Strafprozessordnung und Nr. 64 der Vollzugsordnung), und zwar nur auf richterliche Anordnung. Mollath beschwerte sich wiederholt, schriftlich und nochmals in seiner nur zehn Minuten dauernden Anhörung vor der Strafkammer am 31 . März 2006 : »Seit ich in die Station FPr verlegt wurde, werde ich mit Hand- und Fußfesselung gequält, obwohl keinerlei Gefahr von mir ausgeht. Ich bitte um sofortige Beendigung dieser unnötigen und menschenverachtenden Maßnahmen. Auch mit solchen Maßnahmen lasse ich mich nicht brechen.« Jeder Häftling hat nach der Vorschrift Anspruch auf einen Hofgang von mindestens einer Stunde täglich, aber auch dieser Hofgang wurde Mollath wiederholt verweigert oder gekürzt. Er beschwerte sich darüber, doch der Vorsitzende Otto Brixner sowie seine Beisitzer Petra Heinemann und Thomas Mager taten nichts. Sie versagten ihm jeden Rechts schutz, obwohl dieser durch Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes garantiert war; die Beschwerde wurde pflichtwidrig auch nicht an das Oberlandesgericht weitergeleitet.
Am Nachmittag nach der Anhörung durch die drei Richter musste Mollath sogar den Hofgang in Hand- und Fußfesseln an Ketten hinter sich bringen. Flehentlich schrieb er den Richtern: »Aus welchem Grund lassen Sie mich unter diesen unmöglichen Umständen quälen? Ohne Angabe von Gründen hat man mich zur (Station) FP 3 verlegt, dort sind Menschen schon über 35 Jahre lebendig begraben. Ich habe hier die schlimmste Zeit meines Lebens verbracht.« Dieser Brief vom 7 . April 2006 wurde vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth erst am 24 . April an die Strafkammer übersandt – genau an dem Tag, an dem Mollath nach Straubing verlegt wurde. In seiner Antwort überging der Vorsitzende Brixner rechtswidrig die Fesselungen. Die von Mollath beanstandete Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Straubing, durch die er vollständig von seinem Nürnberger Freundes- und Bekanntenkreis abgeschnürt wurde, begründete Brixner sibyllinisch: Sie sei »aus organisatorischen Gründen« erfolgt.
Vor Beginn seines Prozesses wandte sich Mollath Hilfe suchend an den Präsidenten des Landgerichts Nürnberg-Fürth: »Schon mehrmals bat ich die Richter Brixner, Heinemann und Mager, dass ich meine Unterlagen und Dokumente zum Verfahren und zu meiner Verteidigung, als auch Kleidung (ich habe nur die Kleidung, die ich auf dem Leib trug, dabei) aus meinem Haus in Nürnberg holen darf. Ich habe nicht einmal eine Antwort erhalten. Ich bitte auch Sie … Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass am 1 . August 2006 mein Haus, zu allem Überfluss, versteigert werden soll.« Weiter rügte er: »Entgegen bestehendem Gesetz werde ich als Untersuchungshäftling zusammen mit verurteilten Straftätern gehalten. Ich bitte, diesen Zustand sofort zu beenden« (eine derartige Zusammenlegung ist nach Paragraf 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung strikt verboten). Der Herr Präsident, wiewohl Jurist, würdigte Mollath indessen keiner Antwort.
In einem Brief an einen alten Freund beschrieb Mollath sein Ambiente: »Mehrfachmörder, Vergewaltiger, Kinderschänder und hier und da harmlose bis arme Schweine … Als ein psychotischer Doppelmörder ausrastete und auf mich losgehen wollte, konnte ich nur mit Mühe eine Eskalation vermeiden … Der Vorfall (wurde) in einem skandalösen Gutachten so ausgelegt, als wäre ich der böse Aggressor.«
Es ging immer näher dem Abgrund zu, dem Prozess. Vorher hatte die Strafkammer einen Beschluss zu fassen, ob die Hauptverhandlung mit zwei oder mit drei Berufsrichtern durchgeführt würde. Fehlt ein solcher Beschluss, hat eine Strafkammer mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen zu verhandeln – so bestimmt es Paragraf 76 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ein solcher Beschluss wurde jedoch nicht gefasst! Sich darüber
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