Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Treuhänders richtig sein. Welchen Grund auch sollte dieser für eine Falschaussage gehabt haben? In Leisers Arbeitszimmer stand eine Büste von F. J. Strauß. Und es liegt nahe, dass Ludwig Huber diese Gesellschaft im Auge hatte, als er, wie erwähnt, Strauß in verdeckter Form vorhielt, er habe unter anderem eine Beteiligung in der Schweiz.
Aber auch abgesehen von der Firma LCF gilt: Die Gesamtumstände des AVIA -Deals begründen den massiven Verdacht, dass Strauß heimlich Gelder zugeflossen sind. Hinter diesem Deal stand schließlich die erklärte Absicht der Saudis, Strauß finanziell zu unterstützen, damit er Kanzler würde. Auf welchem Wege sonst hätten sie ihn damals finanziell gefördert?
Das öffentliche Wohl
Was hat Strauß für Deutschland geleistet? Der »Aufbau« der Bundeswehr war eine einzige Kette von Skandalen, Misswirtschaft und Bestechlichkeitsvorwürfen. Der von ihm verursachte Schaden ging in die Milliarden. Die Ostpolitik Brandts, ohne die später die Wiedervereinigung nicht oder nicht so rasch möglich gewesen wäre, bekämpfte er bis aufs Messer. Als die CDU dem Friedensvertrag mit Polen zustimmte und auch das Kabinett Goppel ankündigte, im Bundesrat zustimmen zu wollen, versuchte er, Goppel davon abzubringen mit den Worten: »Alfons, du machst doch aus Scheiße keinen Kaviar!« Beamte, die das Gespräch mitbekamen, haben diese »staatsmännische« Äußerung bezeugt. Umgekehrt aber lobte er von den UN geächtete Unrechtsregime wie das des chilenischen Diktators Augusto Pinochet und der südafrikanischen Apartheidsregierung, womit er der Bundesregierung große Schwierigkeiten bereitete.
Der frühere CSU -Bundesminister Alois Niederalt, enger Weggefährte von Strauß, äußerte mir gegenüber grimmig: »Das öffentliche Wohl, das war sein eigenes!« Das Credo von Strauß habe gelautet: Ich bin die CSU , die CSU ist der Staat, also bin ich der Staat!
Als ich auf Einladung der CSU eine Lesung in Günzburg hielt, war eigens der hoch angesehene ehemalige Innenminister Bruno Merk gekommen. Er begrüßte mich auf das freundlichste und kaufte sich gleich ein zweites Buch, weil er sein erstes bereits verschenkt hatte. In einer Ansprache beklagte er: Während er das Wohl des Staates im Auge gehabt habe, sei es Strauß nur um das Interesse der Partei gegangen – und häufig auch »um seinen eigenen Vorteil«. Als er, Merk, um leistungsfähige Verwaltungseinheiten zu schaffen, die Gebietsreform durchgeführt habe, bei der viele Bürgermeister kleiner Gemeinden ihre Posten verloren, habe ihm Strauß heftige Vorhaltungen gemacht: Diese 8000 Bürgermeister seien schließlich das Rückgrat der Partei! Als die CSU bei der nächsten Landtagswahl Stimmen verlor, habe Strauß ihm in einer Sitzung des Landesvorstands die Schuld hierfür zugeschoben, beklagte der frühere Minister.
Natürlich ist nicht zu leugnen, dass Strauß auch Leistungen erbracht hat. Wenn man so lange eine Spitzenposition einnimmt, kann dies gar nicht anders sein. Aber wenn man in die andere Waagschale all seine Straftaten, die vielfachen Missbräuche staatlicher Mittel und andere Fehlleistungen legt, dann haben diese bei Weitem das Übergewicht. Er war ein Karrierist, der das Gemeinwesen »Bundesrepublik« als eine Weihnachtsgans betrachtete, die es auszunehmen galt. Die normalen, rationalen Aktivitäten waren der Vorhang, der diese Ausbeutung vor dem Publikum verdeckte. Weil sie nur das Positive zu sehen bekamen, klatschen auch heute noch viele Leute Beifall. Sie vermögen oft nicht zu glauben, was sich im Verborgenen abspielte. Soll man sie für ihren guten Glauben tadeln?
Was hat Strauß für Bayern geleistet? Horst Seehofer hat erklärt, Strauß habe aus dem Agrarland Bayern einen modernen Industriestaat geschaffen. Diese Behauptung ist schlechterdings falsch. Zum einen hat eine wissenschaftliche Untersuchung nachgewiesen, dass Bayern schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine Industrieregion war – bereits 1921 gab es mehr Beschäftigte in der Industrie als in der Land- und Forstwirtschaft (so Richard Zwill, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte). Und zum anderen wurde Strauß überhaupt erst 1978 Ministerpräsident. Alfons Goppel, der 16 Jahre lang zuvor Ministerpräsident gewesen ist, war Seehofer zufolge anscheinend nur Statist. Der frühere stellvertretende Ministerpräsident Ludwig Huber urteilte, als er im April 1996 seine Erinnerungen vorstellte, zutreffend: »Strauß war spektakulär, aber Erhard, Seidl und
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