Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
mit dem nackten Arsch ins Gesicht.« Die jahrelange Gewohnheit bildete einen neuen Typ absolut höriger Beamten heraus, der vermehrt unter dem rigorosen Regiment von Edmund Stoiber in Erscheinung trat. Als ich mich einmal einem Ministerialdirektor (die höchste Beamtenstufe in Bayern) gegenüber beklagte, dass vielfach rechtswidrig gehandelt würde, schaute er mich nachdenklich an. Dann belehrte er mich: »Es kommt doch in erster Linie darauf an, seinen Minister nach vorne zu bringen.« Ich gab auf. Diese Spezies von Beamten machte Karriere in den Ministerien, aber auch in der Justiz und den höheren Behörden. Doch keiner dieser titelgeschmückten Herren würde je über sich hören wollen, was Bismarck einst über einen Beamten am kaiserlichen Hof sagte: »Zum Kammerherrn fehlt ihm nichts, zum Menschen fast alles.«
Noch ein Wort zu den angeblich überdimensionalen Leistungen der CSU -Spitzenpolitiker allgemein. Wieder sei der frühere Innenminister Bruno Merk zitiert. In meiner erwähnten Lesung in Günzburg rügte er, dass die CSU -Führung ständig hochmütig der CDU vorhalte, dass sie alles besser mache als diese. Umgekehrt habe die CDU nie so abschätzig über die CSU geurteilt. In der Tat: Fährt man vom bayerischen Neu-Ulm über die Donaubrücke hinüber ins württembergische Ulm, so trifft man dort auf keine Elendsquartiere. Und fährt man hinter Aschaffenburg ins Hessische, so findet man kein Notstandsgebiet vor. Tüchtige Ministerpräsidenten und Minister, egal welcher Partei zugehörig, gab es nicht minder in den anderen Bundesländern. Nicht jedes Bundesland freilich verfügt über gleich günstige Voraussetzungen. Schade, dass Strauß oder Stoiber sich nicht in Schleswig-Holstein, Bremen, im Saarland oder in Niedersachsen bewähren konnten. Denn dann wüssten diese Länder nicht, wohin mit ihrem Wohlstand, sie ständen in allen Bereichen an der Spitze, Bayern aber wäre ohne diese beiden Politiker ein ärmliches Agrarland geblieben – wenn man dem von bestimmten CSU -Spitzenpolitikern verbreiteten Aberglauben folgen wollte.
2 Die Angst vor Strauß
Dem 17 -jährigen Gymnasiasten Franz Strauß bescheinigte sein Klassenlehrer im Beurteilungsbogen hervorragende Leistungen, aber auch »starke Selbstüberhebung«. Deswegen zurechtgewiesen, habe er sich zu rächen versucht, indem er Teile seiner Mitschüler aufhetzte, »dabei aber selbst im Hintergrund zu bleiben verstand«. Dann schrieb der Klassenlehrer:
Außerdem halte ich ihn für einen Menschen, der einmal seine Ziele mit brutaler Rücksichtslosigkeit verfolgen wird
(zitiert nach Werner Biermann)
Die üblen Eigenschaften traten demnach schon früh zutage, sie haben sich nicht erst im Verlauf jahrzehntelanger Machtausübung herausgebildet. Bereits als junger Sonderminister und später als Atomminister wurde Strauß Bundeskanzler Adenauer unheimlich. Seine maßlose Egozentrik, seine Dreistigkeit, sich über Vorgaben hinwegzusetzen, seine Frechheit gegenüber hochgestellten Unionspolitikern und dem Bundeskanzler selbst ließen erwarten, dass er eine ihm anvertraute Machtposition missbrauchen würde. Adenauer musste ihn immer wieder ermahnen, sogar schriftlich, sich an die Kabinettsdisziplin zu halten. Gegenüber den FDP -Ministern Franz Blücher und Victor-Emanuel Preusker bezeichnete er die Ausfälle von Strauß als Flegeleien und beklagte, er könne ihn »höchstens mal wieder für einige Wochen in Ordnung bringen, hinterher würde es immer wieder Schwierigkeiten geben« (Wolfram Bickerich, Franz Josef Strauß. Die Biographie , S. 72 , Finger, S. 124 ).
Die Befürchtungen Adenauers und Krones
Strauß wollte mit Brachialgewalt Bundesverteidigungsminister werden. Doch Adenauer verweigerte ihm diese Machtposition, er übertrug das Amt Theodor Blank.
Der Bundeskanzler sah klar. Als ihm später der Regierungssprecher Felix von Eckardt vorschlug, Theodor Blank als Bundesverteidigungsminister abzulösen, erwiderte er: »Wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutet Franz Josef Strauß als Bundesverteidigungsminister!« (So von Eckardt in seinen Erinnerungen). Gegenüber Heinrich Krone, dem Vorsitzenden der CDU / CSU -Fraktion, äußerte Adenauer laut dessen Tagebuch: »Wir müssen den Kampf mit Strauß aufnehmen; wenn es dabei zum Bruch zwischen der CDU und der CSU komme, müsse das in Kauf genommen werden.« Adenauer sagte Strauß sogar ins Gesicht: »Solange ich Kanzler bin, werden Sie nie Verteidigungsminister«, so Strauß selbst in seinen
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