Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Verteidigungsministerium, 2 , 3 Millionen Mark erhalten hatte, der CDU -Politiker Otto Lenz 300 000 Mark und der Arzt Dr. Otto Praun ebenfalls 300 000 Mark. Wer war dieser Dr. Praun? Damit ist man bei dem bekannten Kriminalfall »Vera Brühne« angelangt. Dr. Praun und seine Haushälterin wurden 1960 in Prauns Villa in Pöcking am Starnberger See ermordet aufgefunden. Vera Brühne, die ein Verhältnis mit ihm hatte, und ihr Freund wurden der Täterschaft beschuldigt. Angenommenes Tatmotiv: Vera Brühne befürchtete, Dr. Praun würde sein Testament, in dem sie als Erbin eingesetzt war, umstoßen, weil sich ihre Beziehung abgekühlt hatte. Nach einem aufsehenerregenden Indizienprozess wurde Brühne am 4 . Juni 1962 zusammen mit ihrem Freund zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.
Der Verfasser eines Buches über den Fall, Peter Anders, stieß in mehrjährigen Recherchen auf zahlreiche Umstände, aufgrund deren er sich sicher war, dass Vera Brühne und ihr Freund unschuldig waren und dass man ihnen einen Mord in die Schuhe schob, den andere im Auftrag der Waffenlobby begangen hatten. Insbesondere verstarb die Hauptbelastungszeugin schon wenige Jahre später plötzlich unter mysteriösen Umständen. Von einem Beamten des Landeskriminalamts erfuhr Anders, dass Verteidigungsminister Strauß und Dr. Praun sich seit Langem kannten.
Strauß’ Empfehlungen hätten, so der Kriminalbeamte, dem in Waffengeschäften aktiven Dr. Praun alle Türen geöffnet. Dieser habe sich für seine Tätigkeiten entsprechend bezahlen lassen, sei aber mit seinen Forderungen schließlich maßlos geworden.
In der Tat war es unerklärlich, dass ein Arzt vom Starnberger See bei der beabsichtigten Beschaffung von über 10 000 HS- 30 - Schützenpanzern Schmiergeld kassierte! Ende 1969 berichtete dann die Bild -Zeitung, Praun sei in Waffengeschäften unterwegs gewesen – das mache seinen Reichtum plausibel, der nicht aus seiner Praxis stammen konnte. Der Sohn Dr. Prauns erhob gegen den Bericht Klage. Doch am 2 . Dezember 1969 entschied die 18 . Zivilkammer des Landgerichts München I, dass Bild behaupten dürfe, Dr. Praun habe Waffengeschäfte getätigt und von einem Agenten rund 300 000 Mark erhalten, was schon zuvor der Untersuchungsausschuss des Bundestags festgestellt hatte.
Peter Anders schildert, dass die »Gegenseite«, die offenbar von seinen Recherchen erfahren habe, ihn mehrmals bedrohte und ihn mit Geldangeboten bis zu 200 000 Mark ruhigstellen wollte. Als er schließlich in der Zeitung Heim & Welt das Erscheinen seines Buches, das neue Tatsachen bringen würde, ankündigte, habe er eine Überraschung erlebt: Im Spätherbst 1978 habe ihn F. J. Strauß angerufen, der gerade Ministerpräsident geworden war. Strauß habe sich zunächst von ihm das Ehrenwort zu schweigen geben lassen und dann gesagt: »Ich möchte Ihnen einen Deal vorschlagen«, nämlich: »Ich verbürge mich dafür, dass Vera Brühne begnadigt wird.« Ausbedungene Gegenleistung: »Legen Sie Ihr Buch auf Eis. 15 Jahre. Bis zu dem Tag, an dem Frau Brühne begnadigt wird.« Bis dahin habe Strauß alles unternommen, so Anders, um eine Wiederaufnahme des Falles zu verhindern. Anders ging auf den Deal ein.
Ein halbes Jahr später, am 30 . Mai 1979 , begnadigte der Ministerpräsident Strauß Vera Brühne. Nach 17 Jahren kam sie frei – auf Bewährung. Die Begnadigung war eine Sensation. Denn »lebenslang« war damals wirklich noch lebenslang, zudem handelte es sich um einen Doppelmord. Drei Jahre zuvor hatte Ministerpräsident Goppel ein Gnadengesuch abgelehnt.
Anders berichtet, dass Vera Brühne ihre Eigentumswohnung in der Kaulbachstr. 40 in München schuldenfrei vorfand, für ihren Lebensunterhalt wurde gesorgt – aber sie habe bis zu ihrem Lebensende »unter Bewachung« gestanden. Das Buch von Anders erschien tatsächlich erst im Jahr 2000 ( 7 . Auflage 2012 ).
Staatssekretär a. D. Erich Riedl erinnerte mich später an diese unerklärliche Begnadigung durch Strauß und spekulierte über dessen Motiv. Das Rätsel ist wohl gelöst. Es erscheint plausibel, dass Strauß und seine »Waffenbrüder« belastende Enthüllungen durch das Buch von Peter Anders fürchteten, möglicherweise auch, dass Vera Brühne doch noch über die Waffengeschäfte Dr. Prauns, von denen sie wusste oder jedenfalls wissen konnte, plaudern würde.
Am Rande einer Lesung, die ich am 28 . November 2010 in Tutzing hielt, wollte mich unbedingt ein Herr vertraulich sprechen. Er stellte sich als
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