Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
miserablen Zustand. Das wenige Wochen vor der Spiegel -Affäre abgehaltene NATO -Manöver »Fallex 62 « hatte drastisch offengelegt, dass es an Waffen, Gerät und Soldaten fehlte. Und dass schon unmittelbar nach Ausbruch eines Krieges das Sanitätswesen und die Nahrungsmittelversorgung zusammengebrochen wären. Die NATO gab daher der Bundeswehr und ihrem bereits seit sechs Jahren amtierenden Befehlshaber Strauß die schlechtestmögliche Note »zur Abwehr bedingt geeignet«.
So viel zum glorreichen »Schöpfer der Bundeswehr«.
Noch eine Anmerkung: Anscheinend hat Strauß auch sein späteres Amt als Bundesfinanzminister für sich zu nutzen gewusst. Er verfügte damals über ein Wertpapierkonto bei der Commerzbank in Bonn. Im Herbst 1967 gab er Order, für einen mittleren fünfstelligen Betrag Aktien der Huta-Hegerfeld AG, Essen, zu kaufen. Kurze Zeit danach wurde bekannt, dass das Unternehmen den Zuschlag für ein großes Projekt der Entwicklungshilfe in Afrika erhalten hatte. Der Kurs schoss nach oben. Es gibt keinen Beweis, aber es liegt nahe, dass Strauß Insiderwissen genutzt hat.
Der Bankangestellte, der seinerzeit das Wertpapierkonto verwaltete, schrieb mir, er sei bereit, den Vorgang öffentlich zu bezeugen.
Die Spiegel - und die Hans-Herrschaft-Affäre
Der Spiegel -Herausgeber Rudolf Augstein und seine Redakteure schätzten Strauß sehr bald als hemmungslos ein. Sie warnten eindringlich vor seiner Aggressivität und seinem Machttrieb, vor seinem heimlichen Streben nach Atomwaffen und seiner Korruptheit. Die Situation wurde immer angespannter, geradezu explosiv.
Und tatsächlich: Kurz nach dem NATO -Herbstmanöver, am 26 . Oktober 1962, stürmten Polizisten die Spiegel -Redaktion, verhafteten den Herausgeber Rudolf Augstein und mehrere Redakteure. Dahinter stand Strauß. Mit der falschen Anschuldigung des Landesverrats wollte er seine Widersacher mundtot machen. Chefredakteur Conrad Ahlers, der gerade in Spanien in Urlaub war, wurde durch Anweisung an den deutschen Militärattaché in Madrid festgesetzt. Nach dessen Verhaftung ließ Strauß sich zu seinem Haus auf dem Venusberg in Bonn fahren. Sein Fahrer berichtete: »Kaum hatte er den grauen Dienstwagen bestiegen, da schlug er sich mit unbändiger Freunde auf die Schenkel und rief: ›Die Schweine – jetzt haben wir sie endlich!‹« Der Sohn des Fahrers, der Historiker Stefan Finger, hat dies in seiner Strauß-Biografie wiedergegeben.
Feige log Strauß vor dem Bundestag, er habe mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Als die Wahrheit ans Licht kam, musste er zurücktreten.
Was Strauß getan hatte, war eine Ungeheuerlichkeit, die Öffentlichkeit war entsetzt. Es war das erste Mal nach dem Ende des Dritten Reiches, dass missliebige politische Gegner durch rechtswidrige Verhaftung ausgeschaltet werden sollten. Niemand hatte geglaubt, dass sich so etwas wiederholen könnte. Man hatte rechtsstaatliche Sicherungen geschaffen, doch Strauß hatte sie unterlaufen. Die Einschätzung Adenauers und Krones, dass dieser Mann gewaltbereit war, hatte sich bestätigt.
Wäre Strauß guten Glaubens gewesen, dass alles rechtlich in Ordnung sei, hätte er den Bundestag nicht belügen müssen. Dass er das getan hatte, bewies seine Missachtung gegenüber dem Parlament, bewies seine Gefährlichkeit. Schon in der Lockheed-Affäre hatte der Bundesrechnungshof, wie bereits erwähnt, scharf gerügt, dass er den Bundestag mit seinen Angaben zur Beschaffung fortgesetzt getäuscht habe. Nachdem er nunmehr auch im Spiegel -Skandal der Lüge überführt war, war davon auszugehen, dass er auch bei den ihm vorgeworfenen Korruptionsfällen und Sexaffären mit Prostituierten während Dienstreisen in den USA den Bundestag, die Gerichte und die Öffentlichkeit mit der Unwahrheit bedient hatte.
2012 waren 50 Jahre seit der Spiegel -Affäre vergangen, und in zahlreichen Medienberichten wurde an die üble Rolle von Strauß erinnert. In Vergessenheit geriet, dass seinerzeit ein gleichartiger, ebenfalls Strauß zuzurechnender Übergriff vorausgegangen war. Im Zuge der Fibag-Affäre hatte Hans Herrschaft, der Finanzberater der Fibag, als Zeuge vor dem hierfür eingesetzten Untersuchungsausschuss des Bundestags Bundesverteidigungsminister Strauß massiv belastet – es ging um den Verdacht der Korruption. Am Tag danach war Herrschaft in München verhaftet worden, Strauß hatte ihn wahrheitswidrig landesverräterischer Beziehungen bezichtigt. Ebenso wahrheitswidrig verbreitete die
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