Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
frühere Vorsitzende der Landesgruppe, erzählte: Eine Bekannte und ihr Mann hatten einer Rede Guttenbergs zugehört und waren danach beeindruckt gewesen. Als etwas Zeit vergangen war, fragte die Frau ihren Mann: »Hast du eigentlich verstanden, was er gesagt hat?« Der Mann antwortete: »Nein, ich dachte, du hast es verstanden.«
Steil bergauf ging es, als Guttenberg nach der Bundestagswahl 2008 Verteidigungsminister wurde. Er verkündete alsbald die Abschaffung der Wehrpflicht, was viele erfreute. An die Stelle der Wehrpflichtigen sollten Freiwillige treten. Obwohl klar war, dass diese Reform sehr teuer würde, versprach Guttenberg zugleich die Einsparung von acht Milliarden Euro in seinem Wehretat. Er räumte ein, dass in Afghanistan kriegsähnliche Zustände herrschten, was andere Politiker nicht aussprechen wollten. Die Leute waren begeistert. Man sagte zueinander: Das ist kein Kleingeist, kein Erbsenzähler, kein verdruckter Politiker wie die anderen, der ist offen und ehrlich. Man umjubelte ihn. Selbst die kritische Presse beweihräucherte ihn, der Spiegel sah ihn bereits auf dem direkten Weg ins Kanzleramt.
Ein gewaltiger Paukenschlag hätte allerdings aufschrecken müssen. Erst einen Monat im Amt, entließ Guttenberg von einem Tag auf den anderen den Generalinspekteur der Bundeswehr und seinen Staatssekretär. Seine Begründung: Sie hätten ihm in der Affäre um das Kundus-Bombardement eine wesentliche Unterlage, den Feldjägerbericht, vorenthalten. Daher habe er zu ihnen kein Vertrauen mehr. Die Bürger im Lande waren tief beeindruckt ob der Tatkraft des jugendlichen Helden. Nach mehreren Besuchen in Afghanistan war Guttenberg auf dem Höhepunkt seiner Popularität angelangt.
Freilich konnte er vor dem eingesetzten Untersuchungsausschuss des Bundestags keinen Nachweis dafür erbringen, dass er getäuscht worden war. Insbesondere die Mitschrift seiner Büroleiterin, die bei dem fraglichen Gespräch zugegen war, erwähnte keine Frage des Ministers, ob es einen Feldjägerbericht gebe, folglich auch keine verneinende Antwort. Vielmehr hielt sie fest, dass der Minister mehrfach die Frage nach weiteren Berichten gestellt habe. Daraufhin habe Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan den Bericht der Feldjäger genannt und gesagt, dass dieser für Oberst Georg Klein, der das Bombardement angeordnet hatte, nicht günstig sei.
Selbst wenn Guttenberg den Eindruck gehabt hätte, der Generalinspekteur und der Staatssekretär hätten ihm den Feldjägerbericht vorenthalten wollen, hätte es genügt, die beiden zu rügen, schließlich hatten sie das Bombardement in Kundus nicht zu verantworten. Die Art und Weise, wie der 37-Jährige, der beruflich bis dahin so gut wie nichts eigenverantwortlich geleistet hatte, sie stattdessen gnadenlos feuerte – und bald darauf ohne rechtliche Anhörung den Kapitän der Gorch Fock –, erinnerte an Stauß, der als Verteidigungsminister mit den obersten Offizieren und Beamten seines Ministerium ganz ähnlich umsprang. Dass Guttenberg fehlendes Vertrauen und Täuschung als Grund angab, während er selbst wenige Jahre zuvor mit seiner Doktorarbeit das Vertrauen der Professoren durch Täuschung missbraucht hatte, spricht für sich.
Verblüffend war, dass Umfragen zufolge selbst nach Aufdeckung des Betrugs mit der Doktorarbeit noch 70 Prozent der Bevölkerung meinten, Guttenberg könne weiterhin Minister bleiben. Das vermeintliche Charisma wirkte noch fort. Warum nur? Die Mehrheit der Menschen hängt offensichtlich dem Irrglauben an, ein Charismatiker könne in der Politik alles richten. Der Grund hierfür ist wohl, dass sie meistens keine Vorstellung davon haben, wie Regierungsarbeit in Wirklichkeit vonstattengeht. Bei den so unendlich verflochtenen und vielschichtigen Lebensverhältnissen lösen sich Probleme nicht durch die großartige Idee eines Charismatikers in Wohlgefallen auf. Vielmehr haben die politischen Amtsträger durch Fakten- und Aktenstudium sowie durch Abwägen der Vor- und Nachteile eine Maßnahme so lange zu prüfen, bis sie sich dann zumeist zu einem vertretbaren Kompromiss durchringen. Aber der Fall Guttenberg beweist, dass trotz des gehobenen Bildungsstandards der Bürger der glanzvolle Auftritt eines geschickten Blenders diesem zu höchsten Ämtern verhelfen kann. Der CDU -Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, sagte in einer Fernsehdiskussion, er habe den Aufstieg Guttenbergs mit Erstaunen verfolgt. Denn es sei
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