Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
doch nicht so, dass alle anderen Politiker »nur als Glühwürmchen herumschwirrten«.
Wie kläglich vermeintliches Charisma in sich zusammenbrechen kann, hat der Bericht der Kommission der Universität Bayreuth vom 5 . Mai 2011 aufgezeigt. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass Guttenberg eindeutig vorsätzlich getäuscht habe. Obwohl er »die ehrenwörtliche Erklärung« abgegeben habe, dass er die Arbeit selbst verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, habe er fremde Texte ohne Kennzeichnung »in einem kaum vorstellbaren Ausmaß, in allen Einzelheiten einschließlich der Interpunktion« übernommen. Dann führte die Kommission aus, Guttenberg habe öffentlich erklärt, es sei ihm »ein aufrichtiges Anliegen«, sich an der Klärung der Fragen hinsichtlich seiner Dissertation zu beteiligen. Tatsächlich aber habe er Kontakt zur Universität bis zu seinem Rücktritt nur über seinen persönlichen Referenten im Bundesverteidigungsministerium und danach über seine Rechtsanwälte aufgenommen. Außerdem habe er sich zu den Plagiatsvorwürfen hinsichtlich der einzelnen Texte nicht geäußert.
Was die Kommission dann zitiert, macht den Charismatiker zum Komödianten. Guttenberg schrieb, seine Erklärung gegenüber der Kommission, zu der er nicht verpflichtet sei, diene »nicht der Rechtfertigung und der Verteidigung«. Sie erfolge »ausschließlich zum Schutze der Universität Bayreuth«, die durch sein »wissenschaftliches Fehlverhalten in die Gefahr des Misskredits geraten« sei. Und weiter: Dass er in die Veröffentlichung des Berichts der Kommission einwillige, sei »ein entgegenkommender Verzicht auf seine Persönlichkeitsrechte im Interesse der Aufklärung des Sachverhalts zum Schutze des Ansehens der Universität Bayreuth«.
Dennoch antworteten Seehofer, Beckstein und andere Politiker auf die Frage, ob Guttenberg eine zweite Chance erhalten sollte: selbstverständlich! Jeder Mensch hat Anspruch auf eine zweite Chance. Auch viele Leute, die von Journalisten interviewt wurden, meinten das Gleiche. Dem ist entgegenzuhalten, dass zwar ein Straftäter, der nach Verbüßung seiner Strafe in die Gesellschaft zurückkehrt, eine zweite Chance erhalten muss. Aber ein Minister, der wegen groben Fehlverhaltens zum Rücktritt gezwungen wurde, muss nicht erneut ein politisches Spitzenamt übernehmen. Warum nur sollte man ein solches Risiko eingehen? Strauß bekam eine zweite Chance – er hat sie missbraucht.
5 Der Herrschaftsstil der Strauß-Epigonen Stoiber und Seehofer
Stoibers Regentschaft
Edmund Stoiber bezeichnete sich zu Lebzeiten von Strauß als dessen »Alter Ego«, nahm sich ihn später zum Vorbild und handelte danach – ohne Skrupel.
Ein halbes Jahr, nachdem Stoiber Ministerpräsident geworden war, sagte ich zu einem Kabinettsmitglied, Stoiber regiere ja wider Erwarten recht moderat. »Passen Sie auf, der wird sich noch entwickeln«, war die Antwort. Und so kam es auch. Ein anderes Kabinettsmitglied erzählte mir später, wie es bei den Sitzungen so zuging. Einmal habe sich in einer Kabinettssitzung herausgestellt, dass der Präsident des ADAC sich mit einem Anliegen an Stoiber als Ministerpräsident sowie an Beckstein als den zuständigen Ressortminister gewandt hatte, was aber beide zunächst nicht wussten. Das Antwortschreiben von Beckstein war zustimmend, das von Stoiber ablehnend. In der Kabinettssitzung habe Stoiber gesagt, ein solcher Widerspruch gehe natürlich nicht an. Beckstein habe eingewendet, er habe zwei Jahre lang gebraucht, bis er seine Kollegen aus den anderen Bundesländern in dieser Sache überzeugt habe. Daraufhin Stoiber: »Wer irrt hier, der Ministerpräsident oder der Minister? Also Günther, bring das in Ordnung!«
Ein anderes Mal habe, so das gleiche Kabinettsmitglied, ein Minister Stoiber widersprochen – einmal, zweimal, dreimal. Daraufhin habe er den Minister unter dem Tisch getreten und ihm zugeraunt: »Halt dei Fotzn!« Nach der Sitzung habe er zu dem irritierten Minister gesagt: »Wenn du noch einen Satz gesagt hättest, hätte er dich rausgeschmissen!« Der Minister habe sich daraufhin bei ihm bedankt. Der langjährige Kultusminister Hans Zehetmair bekannte später in einem SZ -Interview zu den Kabinettssitzungen unter Stoiber: »Er war es gewohnt, dass alles abgenickt wurde.«
Erwin Huber sagte in einem Interview mit der Zeit , dass Stoiber im Wesentlichen allein entschieden habe: »Wir von der Parteispitze haben ihn wegen seiner
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